Diskussionsnachricht 000012
27.12.2013, 23:56 Uhr
Koraat
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Es freut mich, das der Thread auf Interesse stößt!
Zu deinen Fragen Noir:
Ganz so einfach wie oben beschrieben ist der Zusammenhang von Stahlgefüge und Kohlenstoffgehalt nicht.
Für einen reinen Kohlenstoffstahl gilt ganz vereinfacht folgendes:
-von 0% bis ca 0,7% Kohlenstoff steigt durch den Kohlenstoff die Härtbarkeit und die Härteannahme, wobei eine nennenswerte Härtung ca. ab 0,3% einsetzt. Bei 0,7% Kohlenstoff wird beim Härten (theoretisch) 100% Martensit gebildet. Die Härteannahme beträgt bei schroffer Abkühlung (z.B. Wasser) bis zu 70hrc. Durch höhere Kohlenstoffgehalte steigt die erreichbare Härte nach dem Abschrecken nicht mehr.
Jeglicher höherer Kohlenstoffgehalt ist ein Überschuss, welcher nicht mehr im Stahl gelöst werden kann (jedenfalls nicht bei Raumtemperatur) und deshalb als Karbid dem sogenannten Zementit ausgeschieden wird. Dieses Eisenkarbid (ein Karbid ist immer eine Verbindung aus einem Metall und Kohlenstoff)ist etwas härter als reiner Martensit und erhöht dadurch den Verschleißwiderstand und somit auch die Standzeit der Schneide.
Es lässt sich also bereits ableiten, dass der theoretisch feinstkörnigste Stahl bei bester Zähigkeit und ausreichender Härte ein reiner Kohlenstoffstahl mit 0,7% Kohlenstoff ist. Allerdings ist die Standzeit mangels Karbide recht gering, er muss also öfter nachgeschärft werden.
Jetzt ist es aber so, dass sich Eisenkarbid selbst bei hohen Gehalten, bei Stählen mit bis zu 1,6% Kohlenstoff (z.B. Qualitätsfeilen) immer noch sehr fein durch eine gute Wärmebehandlung einstellen lässt und Karbiddurchmesser von ca. 1my und darunter erzielt werden können. Das ist immer noch so fein, dass eine exzellente Schärfe erzielt werden kann (siehe hier die TI Messer aus c135, also einem Kohlenstoffstahl mit 1,35% Kohlenstoff)
Durch die höhere Karbidmenge ist der Stahl etwas spröder und somit empfindlicher zugleich aber deutlich standfester und muss seltener geschärft werden.
Von einer echten Versprödung durch Kohlenstoff kann man aber nicht sprechen. Erst wenn die Gehalte so hoch werden, dass Graphit ausgeschieden wird (man spricht dann von Gusseisen) kommt es zur Sprödigkeit. Hier verlässt man aber das Feld der Stähle weshalb es für Rasiermesser keinerlei Bedeutung hat.
Etwas komplizierter wird die Sache bei legierten Stählen. Da nämlich die Beimengung von anderen Legierungselementen wie Chrom, vanadium, Wolfram, Molybdän, Mangan, Nickel, Kobalt, Tantal, Niob etc...Die vorher genannten Grenzwerte verschiebt. In der Regel ist es so, dass die Legierungselemente die Löslichkeit von Kohlenstoff im Stahlgefüge herabsetzen. Das heißt, dass bereits kleinere Mengen an Kohlenstoff sich so auswirken wie höhere Mengen in einem unlegierten Stahl.
Im Fall des 1.4043 reichen also schon die knapp 0,5% Kohlenstoff um ihn voll Härtbar zu machen. (allerdings ist es hier etwas komplizierter, da bei legierten Stählen nicht der gesamte Stahl beim Härten zu Martensit umgewandelt wird und somit die erreichbare Härte beim Abschrecken niedriger ist. Durch Tiefkühlen wird ein höherer Martensitanteil erzielt wodurch die Härte etwas weiter steigt)
Wichtig ist auch zu beachten, dass gerade Chrom je nachdem wie es im Stahlgefüge eingebaut ist völlig Unterschiedliche Eigenschaften hervorbringt. Gelöstes Chrom, also Chrom, welches im Stahlgefüge direkt eingebaut ist sorgt für die Korrosionsbeständigkeit. Wobei mindestens 11% nötig sind um den Stahl weitestgehend "rostfrei" zu machen, jedoch meist ca. 14% zugesetzt werden um etwas Sicherheitsreserve zu haben.
Chrom welches als Chromkarbid im Stahl eingelagert ist bringt eine deutlich erhöhte Verschleißbeständigkeit, trägt aber gar nicht zur Korrosionsbeständigkeit bei.
Beim 1.4043 ist es so, dass sich bei passender Härtetemperatur (welche viel höher liegt als bei einem Kohlenstoffstahl) alles Chrom im Gefüge löst, wodurch der Kohlenstoff zum Härten zur verfügung steht. Nach dem Härten hat man also einen Stahl ohne (oder quasi ohne) Karbide. Würde man den Stahl beim Härten zu niedrig erhitzen würde er zum einen kaum hart werden und obendrein nicht Rostbeständig sein. Hier zeigt sich besonders die Wichtigkeit einer guten Temperaturkontrolle beim Härten.
Auch würde man den Kohlenstoffgehalt erhöhen, wäre es so, dass der Stahl zwar voll härten würde und durch zusätzliche ungelöste Karbide verschleißbeständiger wäre, er würde aber trotz des gleichen Chromgehaltes nicht Rostfrei sein.
Das Zusammenspiel ist also sehr komplex.
Um nochmal direkt auf die Frage einzugehen.
Beim 1.4043 dient das Chrom der Korrosionsbeständigkeit, beim Silberstahl hingegen dient es in Form von feinen Karbiden um die Verschleißbeständigkeit zu erhöhen. Silberstahl ist daher nicht korrosionsbeständiger als ein reiner Kohlenstoffstahl.
Kobalt ist ein eigenes Thema, ansich aber für Rasiermesser völlig ohne Bedeutung. In HSS Stählen sorgt es für eine höhere Warmfestigkeit, sodass Werkzeuge teilweise bei bis zu 700C° verwendet werden können.
Es gibt auch Kobaltbasierte Legierungen ganz ohne Eisen, welche aber nur für spezielle Zwecke Verwendung finden und Stahl weit unterlegen sind. Obendrein sind sie bei der Verarbeitung gesundheitsschädlich.
Obwohl das sehr viel Text war, habe ich viele Gebiete nur angeschnitten, wenn es also weiterführende Fragen gibt, nur her damit ;-)
beste Grüße,
Ulrik Diese Nachricht wurde am 28.12.2013 um 00:05 Uhr von Koraat editiert. |