Diskussionsnachricht 000046
05.12.2005, 18:38 Uhr
oskar
registriertes Mitglied
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Hallo,
ich kopiere hier noch ein Zitat aus einem anderen Thread rein, hatte ich mal unter "Literasur" gestartet, aber in diese Zitatesammlung passts ja wohl auch. Wer es schon gelesen hat, kann ja solange woanders hin gucken.
Gruß
oskar
"Knulp" von Hermann Hesse dürfte kurz nach Neunzehnhundert entstanden sein und spielt auch um diese Jahrhundertwende. Knulp (dessen Vornamen man nie erfährt) verbringt sein Leben auf Wanderschaft und hat viele Freunde, bei denen er einkehren kann. Ein als überaus sympathisch dargestellter Typ, am Ende stirbt er mit knapp über Vierzig, trotz seines "verpatzten" Lebens mit sich im Reinen.
Am Anfang der Geschichte besucht er den verheirateten Gerber Rothfuß, bei dem er ein paar Tage bleibt.
Sie ärgerte sich über ihren Mann, der ihr neben dem manierlichen und hübschen Knulp grob erschien, und gab dem Gast ihre gute Meinung durch die Aufmerksamkeit ihrer Bewirtung kund. Als es zehn Uhr schlug, sagte Knulp gute Nacht und bat sich des Gerbers Rasiermesser aus.
"Sauber bist du", rühmte Rothfuß, indem er das Messer hergab. "Kaum kratzt's dich am Kinn, so muß der Bart herunter. Also gute Nacht, und gute Besserung!"
- zwei Seiten und einen kleinen Flirt weiter -
Am Morgen stand Knulp diesmal zu guter Stunde auf und nahm des Gerbers Rasiermesser in Gebrauch. Der Gerber trug aber schon seit Jahren einen Vollbart, und das Messer war so verwahrlost, daß Knulp es wohl eine halbe Stunde lang über seinem Hosenträger abziehen mußte, ehe das Barbieren gelang. Als er fertig war, zog er den Rock an, nahm die Stiefel in die Hand und stieg in die Küche hinab, wo es warm war und schon nach Kaffee roch...
- und später in der Geschichte, etwa zwanzig Jahre später in Knulps Leben, kommt er in sein Heimatdorf und gibt sich dem Schmied zu erkennen-
"Ja, jetzt weiß ich", lachte er kurz. "Du bist also der Knulp. Man wird halt älter, wenn man sich so lang nicht sieht. Was willst du in Bulach? Auf einen Zehner und auf ein Glas Most soll's mir nicht ankommen."
"Das ist recht von dir, Schmied, und ich nehm's für genossen an. Aber ich will was anderes. Du könntest mir dein Rasiermesser für eine Viertelstunde leihen, ich will heut abend zum Tanzen gehen."
Der Meister drohte ihm mit dem Zeigefinger.
"Du bist doch ein Lugenbeutel, ein alter. Ich meine, mit dem Tanzen wirst du's nimmer wichtig haben, so wie du aussiehst."
Knulp kicherte vergnügt.
"Du merkst doch alles! Schad, daß du kein Amtmann geworden bist. Ja, ich muß also morgen ins Spital, der Machold schickt mich hin, und da wirst du begreifen, daß ich nicht so wie ein Zottelbär antreten mag. Gib mir das Messer, in einer halben Stunde hast du's wieder."
"So? Und wo willst du denn hin damit?"
"Zum Doktor hinüber, ich schlafe bei ihm. Gelt, du gibst mir's?"
Das schien dem Schmied nicht sehr glaubwürdeig. Er blieb mißtrauisch.
"Ich geb dir's schon. Aber weißt du, es ist kein so gewöhnliches Messer, es ist eine echte Soliger Hohlklinge. Die möcht ich gern wiedersehen."
"Verlaß dich drauf."
"Ja, schon. Du hast da einen guten Rock an, Freundlein. Den brauchst du zum Rasieren nicht. Ich will dir was sagen: zieh ihn aus und laß ihn da, und wenn du mit dem Messer wiederkommst, kriegst du auch den Rock wieder."
Der Landstreicher verzog das Gesicht.
"Also gut. Extra nobel bist du nicht, Schmied. Aber es soll meinetwegen gelten."
Nun holte der Schmied das Messer, Knulp gab den Rock zum Pfande, duldete aber nicht, daß der rußige Schmied ihn anfasse. Und nach einer halben Stunde kam er wieder und gab das Solinger Messer zurück, und sein struppiges Kinnbärtchen war weg, er sah ganz anders aus.
"Jetzt noch ein Nägelein hinters Ohr, dann kannst du weiben gehen", sagte der Schmied voll Anerkennung.
Aber Knulp war nicht mehr zu Scherzen gelaunt, er zog seinen Rock wieder an, sagte kurzen Dank und ging davon...
-- Jeder Jeck is anders (kölsch) |