Diskussionsnachricht 000055
29.05.2014, 13:54 Uhr
~Inselgrün
Gast
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Es fand keine Devolution statt, sondern eine Evolution/Weiterentwicklung:
1. Rasiermesser. Für die Masse der Menschen im 18. und 19. Jh. zu teuer in der Anschaffung, zu aufwändig im Unterhalt. Daher ging der Normalmensch, der einmal wöchentlich badete, einmal wöchentlich zum Barbier, um sich den Wochenbart abrasieren zu lassen, samstags oder sonntags vor dem Kirchgang. Die wenigsten rasierten sich zuhause selbst, nur Reiche hatten einen Wochensatz oder Ähnliches. Hoher Aufwand: Ledern, Schärfen, teures Grundmaterial, Möglichkeit eines perfekten Ergebnisses mit Aufwand und einer gewissen Schnittgefahr erkauft.
2. Rasierhobel, erst SE, dann DE ("zur Selbstrasur" gepriesen). Erst mit der Industrialisierung möglich, während das Rasiermesser noch Handwerk verlangt. Massenkompatibel. Bedeutete das Ende der Barbierstuben. Vielleicht kein ganz so perfektes Ergebnis wie mit dem Messer möglich, dafür aber für jeden erreichbar und bezahlbar. Klingenpreise waren übrigens umgerechnet auf heute in der ersten Hälfte des 20. Jh.s im Verhältnis zum Lohn auch nicht geringer als heute für Gilette Fusion-Paddel. Davon zeugen auch die "Schärfapparate" für Klingen.
3. Injektoren und erste Systeme. Wohl zunächst vorwiegend in den USA. Spezielle Klingen/Köpfe des Griffherstellers erforderlich. Würde ich von der Konstruktion her als Übergang zum System kennzeichnen. Die technische Verwandtschaft ist verblüffend. Daraus abgeleitet Anfang der 70er die ersten Systeme mit starrem Ein- bzw. Zweiklingenkopf. Ein Mehrklingenkopf erlaubt Aufdrücken eher, schon bei Injektoren so, und reduziert beim Normalanwender die Schnittgefahr.
4. Schwingkopfsysteme mit 2+ Klingen. Erlauben die Dosenschaumanwendung. Es geht schnell, schnell, schnell. Perfektion ist nicht mehr gefragt, sondern Abhandeln einer lästigen Sache, an der die Nicht-Rasurforenleser keine Freude haben. Da damit viel Geld gemacht werden soll, rasche Entwicklungen, großes Marketing usw. Schnittgefahr maximal reduziert, keine Fingerfertigkeit/Geschicklichkeit mehr erforderlich (wie ja auch bei der elektrischen Zahnbürste oder einem computerunterstützten Automatikauto usw.).
Man kann viele Vergleiche ziehen: vom Gänsekiel über die Stahlschreibfeder, über den Füllfederhalter, die Schreibmaschine zu Datenverarbeitungsanlagen, von der Pferdekutsche über die ersten Kraftfahrzeuge zum selbstfahrenden Auto oder vom handgemahlenen, -gerösteten und gebrühten Kaffee über die Espressomaschinen zum Vollautomaten.
Nespresso ist aber wirklich kein Fortschritt, Nespresso ist auch nicht vergleichbar mit Gillette Mach3-System, sondern schlicht Einwegrasierer billiger Machart zu überteuertem Preis. Nespresso ist Kundenverarsche. |