Diskussionsnachricht 000199
07.04.2006, 01:10 Uhr
Achim
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Zwei Kerle im Badezimmer, Bukowskis schillernde Szene ist Euch noch im Gedächtnis. Hier machen sich Felix und Kanter für an amazing night bereit. Der Autor, Norbert Eberlein, hat viele Drehbücher für die Vorabendserie „Großstadtrevier“ geschrieben. Aber eben auch diesen herrlichen Liebesroman.
Ich legte statt dessen die „Tubes“ auf, schwungvolle Klänge gebündelter Sexualgewalt, griff an meinem Manuskript vorbei in die Plastiktüte nach der Ampulle „Arabian Nights Peeling Creme Treatment“, die im poststelleninternen Wettbewerb das Rennen gemacht hatte, und rieb mich gründlich ein.
„Von diesem Ex-Boxer nimmst du also Ratschläge an“, meinte Kanter eifersüchtig und bediente sich zaghaft an dem Duftmittel.
„Muß ich doch“, erwiderte ich achselzuckend. „Weißt du, wann ich mich das letzte Mal um einen Geschlechtsverkehr beworben habe? Ich bin doch völlig raus aus dem Geschäft, schon seit Jahren! Da muß man sich halt zu helfen wissen.“
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Ich drängte mich an ihm vorbei zurück ins Bad, wo ich ekstatisch Gel in mein Haupthaar schlug. Kanter folgte mir, fixierte die Gel-Tube und ergriff sie wie einst Armstrong die Stars und Stripes. Um ihn herum war es bereits völlig arabische Nacht geworden.
„Du, Felix, es ist furchtbar, aber – könnte ich mal bei dir duschen?“ Eine Schlammburg Frisörfett hatte er sich auf die Hand gequetscht und sodann melancholisch eingesträhnt.
„Was ist denn mir dir los? Wirst du plötzlich eitel?“
„Nein, ich werde –,“ Kanter schluckte tapfer. „Ich werde gesponsert.“ Sein Verlangen nach meinem Rasierapparat wurde mit einem knappen Schlag auf die Fingerspitzen Einhalt geboten.
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Zwei Eiterpickel hatte ich mir beim Rasieren aufgeschlitzt, Eiter und Blut traten geheimnisvoll verbunden zusammen auf.
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Ich legte vom zweitplacierten Mascular Tonic Eau de Parfum nach, bis die Eiterpickelwunden brannten, bedachte auch meine Weichteile mit einigen erfrischenden Spritzerchen, begab mich sodann auf den Flur, riß zu lärmenden Rhythmen den Flurschrank auf und musterte den Inhalt.
„Der komm ich heute als Künstler. Knallhart“, legte ich die Marschrichtung fest.
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Ich kehrte auf der Suche nach dem Mascular Tonic Eau de Parfum ins Badezimmer zurück und musste mit ansehen, wie Kanter seine schlaffen Oberarme einer kritischen Bestandsaufnahme unterzog, sich daraufhin in einem tranceähnlichen Zustand zu Boden legte und sich auf den Händen abdrückte.
Kanter machte einen Liegestütz.
Er wollte den erfolgreichen Abschluß der Leibesübung sogleich durch Wiederholung adeln, d.h. bagatellisieren, sackte jedoch auf halber Strecke zusammen.
„Ich brauche einfach einen gewissen Lifestyle“, keuchte er. „Oder soll ich ewig der Arsch bleiben für alle. Aus dem vollen schöpfen, ja, auch materiell, obenauf sein. Das macht frei. Und die Kunst muß frei sein! Frei von Sorgen! Frei durch Geld!“
Ich sprengte mein Bettzeug mit Mascular Tonic Eau de Parfum und überlegte, wie meine Ablaichgrube einladender auf das Fräulein Bender wirken würde – hergerichtet oder zerwühlt? Fürs Zerwühlte sprach, dass die Paradepunkerin sich heimischer darin fühlen würde. Ein hergerichtetes Bett wiederum unterstützte den von der sonstigen Dekoration geweckten Eindruck, in diesem Raum würden großgeistige Sublimierungen vollbracht. Während ich also das Laken straffte, hörte ich Kanter die Rasur beginnen.
„Ich glaube, ich brauch auch das Schuldgefühl, weißt du, dass ich mich weggebe, verkaufe. Das macht mich ganz geil, irgendwie. Sag mal, hast du vielleicht irgend etwas gegen trockene Haut? So `ne Gesichtscreme?“
Norbert Eberlein „Seidenmatt“, Liebesroman, Haffmanns Verlag 1990, Seite 115 ff.
-- 1 goldener Diese Nachricht wurde am 07.04.2006 um 01:25 Uhr von Achim editiert. |