Diskussionsnachricht 000000
06.07.2003, 17:11 Uhr
~Andi R.
Gast
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ÖKO-TEST Juni 93
Test: After-Shave
Starker Tobac
Mit markigen Werbesprüchen gehen die Kosmetikmischer den Männern um den Bart. Nach der Rasur braucht Mann angeblich noch ein After-shave, um seine Haut zu pflegen.
"Das Problem: Jeden Morgen ist Feueralarm im Bad. Es brennt auf der Haut. Eine Umfrage hat ergeben, daß mehr als zwei Drittel der jungen Männer zwischen 18 und 34 Jahren über Hautirritationen nach der Rasur klagen."
In der Produktinformation für Old Spice wird deshalb gleich weiter empfohlen: "Die Lösung: Splash! Eine frische Duftwelle löscht jetzt den Rasurbrand. Die sympathische Lösung heißt Old Spice Sensitive, eine Herrenserie für empfindliche Haut nach der Rasur."
Rasieren ist tatsächlich eine hautnahe Angelegenheit. 60 Prozent der deutschen Männer benutzen einen elektrischen Rasierapparat, 40 Prozent entfernen ihr Barthaar mit Rasierseife und Messer. Vor allem dabei wird eine dünne Schicht der Oberhaut mit abgeschabt. Außerdem verändert sich durch die Naßrasur das natürliche Hautklima. Die Rasierseife sorgt nicht nur dafür, daß das Barthaar aufquillt. Sie entfernt auch die Talgschicht auf der Haut. Kein Wunder also, wenn Mann nach dieser Strapaze gereizt reagiert.
Für das sogenannte Stinging - Juckreiz, Prickeln und Rötung der Haut nach der Rasur - gibt es aber noch andere Ursachen, zum Beispiel schmutziges Rasierzeug und stumpfe Klingen. Zu Entzündungen kann es auch kommen, wenn Barthaare einwachsen oder kleine Pickel und Hautunreinheiten beim Rasieren geöffnet werden. Manche Haut soll sich auch deshalb so empfindlich aufführen, weil Mann gar kein so dickes Fell hat, wie Frau oft behauptet.
Rein sachlich betrachtet, stimmt das allerdings nicht. Denn das männliche Barthaar mißt im Durchmesser 0,09 bis 0,23 Millimeter und ist damit etwa doppelt so dick wie das weibliche Kopfhaar. Statistiker haben sogar gezählt, wieviele Barthaare auf einem durchschnittlichen Männerkinn sprießen: Es sind etwa 44 auf jedem Quadratzentimeter, wobei jedes davon pro Tag zwischen zwei und dreieinhalb Millimeter länger werden kann [Anmerkung von Stefan Wolf: Tippfehler? Es sind nur rund ein Drittel Millimeter pro Tag, der angegebene Wert kommt also nicht an einem Tag, sondern in einer WOCHE zusammen]. Ganze 1733 Stunden seines wertvollen Lebens muß der Durchschnittsmann für die Entfernung seines "sekundären Geschlechtsmerkmals" opfern. Insgesamt verbringt Mann täglich etwa 22 Minuten im Bad mit seiner Körperpflege, schlappe fünf Minuten weniger als Frau.
Die Kosmetikindustrie behauptet nun, nach dieser täglichen Prozedur muß auch noch etwas für die angegriffene Haut getan werden. Sogenannte After-shaves sollen dabei hilfreich sein. Die sind nicht gleichzusetzen mit dem traditionellen Rasierwasser, das 40 bis 80 Prozent Alkohol sowie eine geringe Menge Menthol enthält und erfrischend wirkt.
Diese Wässer werden nur noch selten angewendet. Statt dessen benutzen die meisten bundesdeutschen Männer sogenannte After-shave-Lotionen. Sie bestehen nur noch bis zu 40 Prozent aus Alkohol, der Rest ist Wasser. Ihr Parfümanteil ist bedeutend höher als in den Rasierwässern. Außerdem mischen einige Hersteller in die Lotionen pflegende und hautglättende Substanzen wie Panthenol oder Hamamelis. Noch niedriger ist der Alkoholgehalt in After-shave-Balms. Das sind eher dickflüssige Pflegeemulsionen, die besonders für sensible Haut geeignet sein sollen.
Schließlich gibt es als Trendprodukt der neunziger Jahre noch After-shave-Cremes. Sie ähneln in ihrer Zusammensetzung den klassischen Gesichtscremes für Frauen. Hans Daniel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) in Frankfurt, weiß auch, warum die Kosmetikbranche ein solches Produkt kreiert hat: "Die Cremes sind eine Art psychologisches Sprungbrett, um dem Mann die Ausweitung der Gesichtspflege vom Kinn auf Wangen und Stirn zu erleichtern."
Das ÖKO-TEST-Magazin hat jetzt 30 der am häufigsten verwendeten Mittel nach der Rasur getestet, nämlich After-shave-Lotionen und -Balms. Zwei Produkte können wir zwar von den Inhaltsstoffen her empfehlen, allerdings sind sie in einen überflüssigen Umkarton gehüllt. Alle anderen der angeblich so hilfreichen Mittelchen enthalten jedoch hautreizende Konservierungsmittel und Emulgatoren. Außerdem steckt in einigen Produkten noch der allergisierende Farbstoff Tartrazin. Schließlich wurde in die meisten der getesteten Duftwässerchen auch das giftige Vergällungsmittel Diethylphthalat gemischt.
ÖKO-TEST-Berater Dr. Dieter Wundram findet diese Ergebnisse besonders bedenklich, weil die Verletzungsgefahr beim Rasieren hoch ist. Die aggressiven Chemikalien können also sehr leicht in die Haut und ins Blut eindringen.
Diethylphthalat wird in den Alkohol gemixt, um ihn ungenießbar zu machen. Das hat allein steuerliche Gründe, denn Trinkalkohol ist dreimal so teuer wie vergällter.
Auch in der Mann-o-Mann Rasier-Lotion der Firma Logona steckt die Chemikalie. Dabei hatte uns Logona-Pressesprecherin Jeanine Tovar schon im Dezember 1991 sogar schriftlich versichert, die Firma werde fortan ihren Alkohol vor den Augen der Zöllner durch den Zusatz ätherischer Öle vergällen. Damals hatte ÖKO-TEST Parfüms getestet und in fast allen Diethylphthalat gefunden.
Warum die giftige Chemikalie nun immer noch bei Logona verwendet wird, kann auch Jeanine Tovar nur schlecht erklären: "Wir sind furchtbar erschrocken. Das ist uns ja so peinlich. Wir bedauern das sehr. ÖKO-TEST ist da einem Fehler in unserem Hause auf die Spur gekommen", teilt die Pressesprecherin zerknirscht mit. Angeblich will Logona jetzt "sofort die Produktion umstellen".
Der französische Kosmetikhersteller RoC hat eine elegantere Variante gewählt, um die Alkoholsteuer zu umgehen. Seine Lotion Apres-Rasage Apaisante ist "sans Alcool". Dr. Ralf Merkle, Leiter der Abteilung Wissenschaft bei RoC, begründet das so: "Alkohol trocknet die Haut aus, seine desinfizierende Wirkung ist beim Rasieren gar nicht so wichtig."
Das bestätigt auch Friseur Andreas Peer vom Frankfurter Männerfrisurenstudio "pour david". Dort kann Mann sich noch wie in alten Zeiten barbieren lassen. Kostenpunkt für eine Naßrasur inklusive Vor- und Nachbehandlung: 18 Mark. "Wir benutzen grundsätzlich kein After-shave mit Alkohol. Das reizt die Haut viel zu sehr", weiß Peer.
Dagegen behauptet Sigrid Stiller von der Forschungsabteilung bei Lingner + Fischer (Pitralon), "der Alkohol macht bei normaler Haut keine Probleme". Sicher ist auf jeden Fall, daß der Sprit in den Rasierwässern vor allem die Herstellung vereinfacht. Insbesondere Duftstoffe lösen sich besonders gut in Alkohol.
Tatsächlich spielt gerade der Geruch der teuren After-shaves eine wichtige Rolle. Marktforscher haben herausgefunden, daß beim Kauf von Rasierwässern fast ausschließlich nach Duft entschieden wird. Kein Wunder also, daß die Werbung auf wohlriechende Ausstrahlung setzt. So dichtete beispielsweise die PR-Abteilung der Firma Ellen Betrix, die Old Spice in Deutschland vertreibt: "Jeder Spritzer des Dufts erzählt von der Frische der Gischt, vom Wogen der Wellen. Vom Abenteuer der Ozeane. Von großen Skippern und Kapitänen unterwegs auf einsamer Fahrt - fixiert auf den eigenen Stern und die Sterne am Himmel." Immerhin hat der 1936 "vielleicht in einem Yacht-Club, vielleicht auf einem der mondänen Luxury-Ocean-Liners" kreierte Duft geschafft, was nur wenigen Gerüchen gelingt: Old Spice ist ein echter Klassiker und in Amerika unangefochten das beliebteste After-shave. Die meisten deutschen Männer stehen dagegen auf Tabac Original von der Stolberger Firma Mäurer + Wirtz.
Diese Vorliebe mag auch damit zusammenhängen, daß die Stolberger Kosmetikmischer ihr Produkt mit dem Hinweis auf "dezente, männliche Pflege" bewerben. Eine Umfrage des IKW hat nämlich ergeben, daß 80 Prozent der deutschen Frauen duftende Männer zwar gut finden, allerdings nur, wenn der Geruch "angenehm dezent" ist.
Für ÖKO-TEST-Berater Dr. Dieter Wundram sind die teuren Wässerchen ohnehin "nur Männerparfüms". "In den meisten Produkten stecken gar keine pflegenden Substanzen. Vielmehr", so vermutet Wundram, "hat die Kosmetikindustrie offenbar Schwierigkeiten, reine Männerparfüms abzusetzen".
Tatsächlich meinen immerhin 31 Prozent aller bundesdeutschen Männer, "zu einem richtigen Mann passe kein Parfüm". Dagegen sind die Herren bereit, Geld für After-shaves auszugeben. Nach Schuhen, Kleidung und Freizeitmode stehen die Rasierwässer gleich an vierter Stelle auf der Liste all der Dinge, für die Männer großzügig bezahlen würden.
Sigrid Stiller von Lingner + Fischer bestätigt jedenfalls, daß die Branche weitaus mehr Rasierwässer als Männerparfüms verkauft. "Das liegt vielleicht daran", vermutet sie, "daß After-shave einfach männlicher klingt als Eau de Parfüm." Diese Nachricht wurde am 07.07.2003 um 14:08 Uhr von Stefan P. Wolf editiert. |