Diskussionsnachricht 000008
04.10.2005, 15:33 Uhr
Oscar
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Vier Klingen für elf Euro, Quelle: Die Zeit
Mit dem Kauf von Gillette schwächt Procter & Gamble die Macht der Handelsketten
Von Marcus Rohwetter
King C. Gillette verabscheute den Kapitalismus, hielt Wettbewerb für das Böse schlechthin und hatte jede Menge Pläne für ein sozialistisches Utopia. Doch dann erfand der US-Amerikaner den Rasierer zum Wegwerfen. Und alles kam anders. Die Geschichte seiner Firma begann 1901 in Boston und endet 2005 in Cincinnati bei Procter & Gamble. Der weltgrößte Kosumgüterkonzern, der dort seinen Hauptsitz hat, übernimmt jetzt die Gillette Company zum Preis von rund 57 Milliarden Dollar.
Aus dem Unternehmen Gillette wird schlicht eine Marke. Eine von dann insgesamt 21, mit denen Procter & Gamble pro Jahr jeweils mehr als eine Milliarde Dollar umsetzt. Dazu gehören Pampers, Ariel, Pantene Pro-V und Oil of Olaz, aber auch blend-a-med, Tempo Taschentücher und Meister Proper. Und nun eben Gillette. »Eine einmalige Gelegenheit«, sagt Alan G. Lafley, Vorstandschef von Procter & Gamble. »Ein Traumgeschäft«, jubelt auch Warren Buffet, Großaktionär von Gillette. Seine Begeisterung verwundert kaum: Procter will zwar nicht mit Bargeld zahlen, sondern mit eigenen Aktien – aber dafür deutlich mehr, als Gillette an der Börse wert ist.
Mit der Übernahme rüstet sich Procter & Gamble zum Schlag gegen die großen Einzelhandelsketten wie beispielsweise Wal-Mart. Deren billige und namenlose Produkte sind in den vergangenen Jahren weltweit zur echten Konkurrenz für die klassische Markenware geworden. In Deutschland machen diese preiswerten Eigenmarken der Händler bereits rund 30 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes aus. Dennoch kann – abgesehen von den Discountern – kein Supermarkt auf die klassischen Topmarken in seinen Regalen verzichten. Und davon hat Procter & Gamble bald noch mehr, denn zu Gillette gehören neben den Nassrasierern auch die Oral-B-Zahnbürsten, die Braun-Elektrogeräte und die Duracell-Batterien.
»Procter & Gamble und Gillette haben jeweils für sich bei mehreren Kategorien die Führungsrolle«, sagt Klaus Schumann, Sprecher der deutschen Geschäftsleitung von Procter & Gamble. Das erhöht die Verhandlungsmacht gegenüber den Handelsketten, wenn es zum Beispiel um »Gestaltung von attraktiven Einkaufserlebnissen für die Kunden« geht. Die Verhandlungen um den Inhalt und die Gestaltung der Regale sind in den vergangenen Jahren immer härter geworden. Die Einzelhandelsketten lassen es sich üblicherweise von den Herstellern teuer bezahlen, dass sie deren Produkte überhaupt ins Regal stellen. Wer aber viele Topmarken im Programm hat, kann den Spieß umdrehen. Frei nach dem Motto: Stellst du meine Rasierklingen nicht an den besten Platz, so liefere ich dir keine Windeln.
Procter & Gamble versucht zudem, Kunden stärker an sich zu binden und auf diese Weise von den Handelsmarken wegzulocken. Ein Beispiel für diese Strategie ist das Wischmop-System Swiffer. Es ist so konzipiert, dass es für stetig neue Umsätze sorgt. Die Kunden kaufen zunächst das Einstiegspaket mit einem Wischer samt einiger passender Reinigungstücher, später müssen sie diese regelmäßig nachkaufen. Dabei kommt es ganz entscheidend auf die Preisgestaltung an: Der Wischer muss einerseits so billig sein, dass die Kunden ihn ohne große Hemmungen mitnehmen. Er muss aber zugleich so teuer sein, dass sie später lieber die Ersatzteile kaufen als gleich ein ganz neues Gerät. »Selbstverständlich tragen solche Produkte zur Kundenbindung bei«, sagt Schumann. »Aber für ein zukünftiges, nachhaltiges Wachstum von Procter & Gamble gehört ganz sicherlich eine Ausweitung des Portfolios mit starken Marken im Körperpflege- und Gesundheitsbereich.«
Mit der Übernahme von Gillette setzt Procter & Gamble beide Strategien gleichzeitig um: Die elektrischen Zahnbürsten von Oral-B brauchen alle zwei Monate neue Bürstenköpfe, die Elektrorasierer von Braun regelmäßig neue Scherfolien, die Nass-Variante von Gillette neue Klingen. Und mit diesen Ersatzteilen wird dann richtig viel Geld umgesetzt. Knapp elf Euro kostet die Packung mit vier Rasierklingen für das aktuelle Spitzenmodell Gillette M3 Power. Ein Mann, der seine Klinge einmal pro Woche auswechselt, investiert allein dafür jedes Jahr mehr als 140 Euro. Rasierschaum und Aftershave kommen noch oben drauf.
Die Attacke gegen die preiswerten Handelsmarken kommt möglicherweise zum richtigen Zeitpunkt – zumindest in Deutschland, wo der Geiz langsam aus der Mode zu kommen scheint. »Es gibt positive Signale«, sagt Procter&Gamble-Manager Schumann, ergänzt aber vorsichtig: »Von einer Trendwende für den ganzen Markt zu sprechen ist aber vielleicht noch zu früh.«
Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK wird da schon deutlicher: »Alles spricht dafür, dass sich die Stimmung der Verbraucher in Deutschland deutlich aufhellt.« Im Januar sei der Indikator, der die persönliche Einkommenserwartung der Deutschen widerspiegelt, zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Auch die Lust aufs Geldausgeben habe wieder zugenommen. Und wenn Verbraucher beim Einkaufen künftig nicht mehr auf jeden Cent schauen, dürften die Hersteller von Markenprodukten ganz besonders profitieren. |