Diskussionsnachricht 000015
04.01.2006, 12:23 Uhr
dailysoap
registriertes Mitglied
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dailysoap schrieb:
Zitat: | Das Ritual:
Licht an im Bad. Erschrocken flitzen Silberfischchen und Kakerlaken in die Ecken. Im zerbrochenen Spiegel sehe ich meinem Atem. Verdammt kalt. Die Lichtstärke der Funzel schwankt. Erstmal den Wasserhahn aufdrehen.
Nach zwei Minuten ist die Rostbrühe weg und das ist schon mal ganz gut.
Die Rasiercreme in der gedankenlos zerquetschten
Tube ist eingetrocknet, die Seife hat dunkle Risse. Also nehme ich die Seife.
Der alte Pinsel schaffte es noch, denke ich. Erst neulich habe ich den gespaltenen und rissigen Holzgriff mehrfach mit Klebeband umwickelt. Ein paar Borsten mehr wäre schön. Hahn auf, nach einigen Rostwasserschüben kriege ich den Pinsel naß und beginne aufzuschäumen.
Einzig die Badkälte macht mir zu schaffen.
Keine Ahnung wie alt die Klinge ist, die in dem grünspangefärbten Messinghobel feststeckt. Heller, süßlich riechender Schaum bedeckt nun das Gesicht, das sich im trüben Licht in den Spiegelscherben des Hängeschranks nur unvollständig abzeichnet.
Stotternd kratzt und schabt nun der Hobel den Schaum aus dem Gesicht und hinterläßt einen leicht metallischen Geruch beim Rasieren.
Ich suche nach der saubersten Stelle eines klammen Lappens und wische mir die Schaumreste aus dem Gesicht.
Recht gut rasiert lösche ich das Licht und stelle mir vor, wie die Silberfischchen und Kakerlaken wieder aus ihren Ecken schlüpfen.
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- Augenreib – Was ein schlimmer Traum.
In Wirklichkeit sieht das Ritual anders aus. Es ist allerdings inzwischen recht routiniert geworden und daher unspektakulär und vielleicht nüchtern. Dennoch empfinde ich Prozedur mehr als Ritual denn als Vorgangsabwicklung oder lästige Pflicht.
Das Rasieren mit dem Hobel an sich, das Wechseln der Klingen (Wahlmöglichkeit: Feather, Rotbart, Gillette, Wilkinson, Cerrus), viele Sorten Rasiermittel, Schaumschlagen mit einem schönen Pinsel macht Vergnügen.
Sieben Tage die Woche, jeden Morgen: nach Abschluß hygienischer Maßnahmen (ohne Hintergrundmusik) bekommt der Bart heißes Wasser ab.
Dann wird nach echter Tiegelschäumer-Manier Seife oder Creme aufgeschäumt und der Schaum am Bart eingepinselt, Restschaum aus dem Pinsel abgestreift und am Bart verteilt.
Die Einweichzeit bezieht sich nur auf das Einpinseln und zwischenzeitlich Pinselausspülen. Wie unschwer zu erahnen ist, weicht diese Prozedur vom VP ab, was bei mir halt geht.
Dann erfolgt die Rasur mit meinem Standardhobel 23c.
Zwar etwas unorthodox was die Reihenfolge anbelangt, aber schon nach dem Prinzip "mit und gegen den Strich" und auch mal kreuz und quer im Gurgelbereich.
Pinsele nicht nach. Abgestreifter Schaum wird am Waschbeckenrand deponiert und kommt für den zweiten Gang auf den Hals.
An den Wangen reicht für die Richtung "gegen den Strich" der Seifenfilm aus, der vom ersten Zug übrig geblieben ist.
Dann wird gut abgespült mit warmem Wasser (als passionierter Warmduscher macht man das so). Abtrocknen. Zur Erfrischung Schweizer Pitralon drauf. Zur Nachpflege der Rasurzone und Pflege des ganzen Gesichts wird ein Klacks geeignete parfumneutrale Creme bzw. Balsam zwischen den Händen verrieben und dann über´s Gesicht verteilt. Diese Nachricht wurde am 04.01.2006 um 12:25 Uhr von dailysoap editiert. |