Diskussionsnachricht 000017
18.06.2014, 23:54 Uhr
harrykoeln
registriertes Mitglied
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Na klar darf man fragen.
Kommt ein Messer vom Stein, hat es eine exakt definierte Geometrie, die Flanken der Schneide sind gerade. Es ist sausscharf, die Schneide aber, weil wenig Material dahinter, sehr filigran und entsprechend empfindlich -> das erste Extrem.
Das andere Extrem: die Schneide ist rund. Viel Material dahinter, sehr stabil, aber stumpf.
Zwischen diesen Extremen bewegen wir uns.
Nach dem Schärfen musst Du etwas Material hinter die Schneide bringen, um ihr die nötige Stabilität zu geben. Geht zwar auf Kosten der Schärfe, nimmt aber in der Regel die Bissigkeit und gibt Sanftheit. Also muss eine Facette an die Flanken, mit etwas stumpferem Winkel als die Flanke. Das schaffst Du, wenn Du beim Schärfen gut gearbeitet hast, mit etwa 50 - 100 Zügen auf dem glatten Hängeleder. Ein Stoßleder bringt hier nicht viel, weil das größtenteils auf der Flanke und weniger auf der Facette arbeitet.
Dann "einrasieren", so wie ich es nenne. Heisst: die ersten 10-15 Rasuren etwas länger (10-15 Züge) und nem kleinen Tacken mehr Druck auf dem glatten Hängeriemen ledern. Damit züchtest Du die Facette und alles ist schön. Schärfer wird das Messer in dieser Zeit nicht mehr, aber (meist) sehr viel sanfter. Nach diesen 15 Rasuren ist das Messer so weit, das Du auf 10 Züge vor der Rasur runter kannst. 250 Rasuren und mehr sind mit so bearbeiteten Messern von Kollegen beschrieben worden.
So: Und jetzt zu den Geschichten Pastenriemen und Anfänger.
Ein Anfänger KANN die Schärfe eines Messers gar nicht beurteilen. Dazu braucht es schlicht Erfahrung. Oft genug heisst es bei nem frisch geschärften Messer - boah ey, da geht noch was. Und mit dem Pastenriemen am langen Arm versauen sie sich die Facette. 10 Züge, 20 Züge Paste auf ner guten Facette kosten Dich etliche Rasuren, weil Du mit der Paste ausschließlich an der Balligkeit arbeitest. Stimmt der Durchhang des Hängeleders nicht oder ist der Druck auf die Facette zu groß, kann das sogar den Tod der Facette bedeuten. Und das ist Praxis. Solche hingerichteten Messer hab ich häufig als Schärfkinder!
Der erfolgreiche Einsatz von Pastenriemen erfordert viel Erfahrung. Wohl und wehe können innerhalb eines Zuges(!) liegen. Bei der Arbeit mit dem Pastenriemen solltest Du sehr genau wissen, was Du tust. Damit meine ich, das Du genau wissen musst, was Du erreichen willst, welche Paste Du genau brauchst (CrxOx ist nämlich keineswegs die eierlegende Wollmilchsau) und wieviele Züge Du machen musst um genau dort hin zu kommen. Setze ich Pasten ein, meist in homöopathischen Dosen, selten mehr als 2 Züge.
Zusammenfassend:
Jeder Zug mit nem Pastenriemen bringt Dich mit Meilenstiefeln in Richtung zweites Extrem, der Balligkeit. Jeder einzelne Zug mit nem Pastenriemen kostet Dich wertvolles Material UND Rasuren.
Genau deshalb hab ich ein generelles Problem mit Pastenriemen. Gerade Anfänger haben damit ein Werkzeug in der Hand, ihre Facetten hinzurichten, mit ganz wenig Aufwand.
Nem absoluten Terrariumanfänger schenkst ja auch keine Kobra!
Exakte Schärfarbeit vorausgesetzt, brauchst Du bei den meisten in den Foren beschriebenen Finishern keinen Pastenriemen.
Der in meinen Augen absolut schlimmste Fauxpas ist allerdings, das ein Pastenriemen dumpfbackig als fester Bestandteil in das Schärfprozedere eingebaut wird.
-- Greetinx aus Köln
Harry
Erst wägen, dann wagen - erst denken, dann sagen! Diese Nachricht wurde am 18.06.2014 um 23:56 Uhr von harrykoeln editiert. |