Diskussionsnachricht 000000
19.09.2008, 11:39 Uhr
Ahnungslos
registriertes Mitglied
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Moin Männers,
es war also soweit. Nach Jahren der Nassrasur mit diesem oder jenem Hobel, vielen Stunden als Lurker in diesem Forum, hatte ich mich vor etwa einer Woche entschlossen es auch einmal mit der Messerrasur zu versuchen. Madame vermutete sofort eine ausgewachsene Mid-Life-Crises und fragte besorgt, warum ich mit 40 Jahren noch solche Herausforderungen suche.
Aber ein Mann muss eben manchmal tun, was ein Mann tun muss! Nach einigen netten PMs mit Bigharry62, waren dann gestern endlich zwei Päckchen (mit dem Rasiermesser von Harald und dem Riemen von scharferladen.de) da.
Ich habe zwar keine Vergleichswerte, aber das Messer, das Harald für mich fertig gemacht hat, war wirklich beeindruckend! Vielen Dank Harald! Es war sehr schön anzusehen, lag gut in der Hand und hat den Haartest (wie von Harald versprochen) so gerade bestanden. Es ist übrigens ein Bradrei Stowa, 5/8" aus Sheffieldstahl.
Aus Respekt vor diesem "Mordsinstrument" habe ich beim Abendbrot sogar auf mein sonst übliches Bierchen verzichtet. Ich wollte Unfälle durch Alkohol am Messer unbedingt vermeiden :-) Um 20:00h war es dann soweit: Ich habe mich im Bad eingeschlossen, aber nicht ohne Madame vorher zu bitten, den Notarzt zu rufen, wenn ich in einer Stunde nicht wieder da bin.
Wie immer das volle Programm, das bei mir nur in ein paar Nuancen vom VP des Forums abweicht. Bei mir gehört das ausgiebige, heiße Duschen zur Rasurprozedur (schon immer) zwingend dazu. Zur Vorbereitung der Rasur wasche ich natürlich auch mein Gesicht. Ich verwende hierzu aber keine Seife, sondern ein erbsengroßes Stück Rasiercreme, die fast so alkalisch ist (und daher dieselbe fettlösende Wirkung hat) wie reine Kernseife, aber wesentlich angenehmer riecht :-) Ich verwende seit meiner Jugend praktisch schon immer die RC von Nivea. Durch viele Beiträge in diesem Forum werde ich aber in Zukunft mal diese oder jene andere Creme oder Seife ausprobieren wollen. Der "Wellness"-Effekt der Rasur hat bei mir bisher keine so große Rolle gespielt. Bin aber durch dieses Forum auf den Geschmack gekommen. Ist ja vielleicht doch 'ne Mid-Life-Crises. :-)
Jedenfalls bin ich nach der Dusche raus, bis auf's Gesicht rudimentär abgetrocknet und einen Stritz Hautöl (ebenfalls von Nivea) zur Konservierung der Feuchtigkeit im Gesicht aufgetragen. Dann besagte RC mit meinem treuen Mühle Dachspinsel direkt im Gesicht aufgeschäumt und nur noch kurz einwirken lassen.
Noch einmal tief durchgeatmet und das Messer aufgeklappt. Abledern war aufgrund der Vorbereitung von Harald gestern noch nicht notwendig, also los ging's mit dem ersten Durchgang mit dem Strich. Ich habe mich dann entschieden mit der rechten Wange zu beginnen. Mit der linken Hand über den Kopf das Fell gespannt und ganz piano und fast ohne Druck, zssst, der erste Strich. Ein irres Geräusch, in etwa so wie ich es erwarten würde, wenn hauchdünner Stahl über die Haut fährt, aber doch ganz anders, als ich es aus vielen Forumsbeiträgen hier herausgelesen hatte. Wie dem auch sei, das Messer rasierte sehr ordentlich. Das Ergebnis war daher aus meiner Sicht sehr zufriedenstellend. Besser als mit dem Hobel und bis jetzt ohne Cut. Leider musste ich nur feststellen, dass immer irgendwie die Hand, der Ellenbogen, der Unterarm oder andere Dinge die Sicht auf das OP-Feld im Spiegel stark eingeschränkt haben. Da merkt man erst, dass man nach Jahrzehnten den Rasierhobel schon fast blind führt. Den Hals habe ich dann ebenfalls auf der rechten Seite super vorsichtig rasiert und habe dabei zum ersten Mal meinen Pulsschlag im Spiegel beobachten können.
Nun die linke Seite. ... Ja, da war zunächst Hängen im Schacht. Was tun? Mit der linken Hand bin ich absoluter Bewegungslegastheniker, mit der rechten habe ich aber keine brauchbare Haltung gefunden. Ich habe dann das Messer todesmutig in die linke Hand genommen und es einfach versucht. Mit links, seitenverkehrt vor dem Spiegel und immer irgendwas im Sichtfeld. Ein Albtraum! Irgendwie habe ich dann auch noch den Hals (allerdings wieder mit der rechten Hand - das Ohr war ja nicht mehr im Weg) hinbekommen. Junge, Junge. Wieder kein Cut, nicht ganz so gründlich wie die rechte Seite, konnte aber durchaus mit dem Hobel mithalten.
Kinn und Oberlippe habe ich dann irgendwie hinbekommen, aber vergleichsweise "unsauber".
Fazit bis hier hin: Das Rasieren mit dem Messer will gelernt sein. Es hilft nur üben, üben und nochmal üben. Angst braucht man aber wohl nicht zu haben. Ganz sicher werde ich mir aber in naher Zukunft einmal genau zeigen lassen, wie man das Messer am sinnvollsten hält und führt ohne seine Ohren zu sehr zu gefährden. :-)
Gesicht wieder eingeschäumt und weiter:
Im zweiten Durchgang (bei mir traditionell dreiviertelquer zum Strich) habe ich dann mit der linken Seite (weil Messer in der rechten Hand) begonnen und auch hier keine nennenswerten Schwierigkeiten gehabt. Das Ergebnis war perfekt! Sehr glatt, damit wollte ich mich wohl zu Madames Qualitätskontrolle wagen :-)
Jetzt die rechte Seite. Hier habe ich dann aber überhaupt keine (sichere) Griffvariante (weder mit rechts noch mit links) finden können. Nach ein paar Minuten herumprobieren wollte ich dann mein Glück aber nicht unnötig herausfordern und habe mich für "Feigheit vor dem Feind" entschieden und die rechte Wange, Hals und den Rest mit dem Hobel zuende rasiert. Dabei habe ich dann natürlich prompt zwei Pickelchen "geköpft" und musste doch noch zum Alaun-Stick greifen.
Zum Abschluss, wie immer, kalt das Gesicht abgespült, trockengetupft und mit dem Aftershave (ihr ahnt die Marke wohl schon :-)) "nachbehandelt". Kein Rasurbrand oder sowas, alles in allem sehr angenehm!
Fazit: Die Rasur mit einem Messer erfordert Übung, macht aber sehr viel mehr Spaß als mit dem Hobel. Sie ist außerdem cooler B-). Das Ergebnis - fand ich - war für den ersten Versuch schon ganz ordentlich, lässt sich durch weitere Routine aber ganz sicher noch verbessern. Was die Sanftheit der Rasur angeht, bin ich mir noch nicht so ganz sicher, ob ich alles richtig gemacht habe. So habe ich mich natürlich bemüht, das Messer im 30-Grad Winkel zu halten. Werkzeug zum Nachmessen und zur Kontrolle hatte ich aber keins :-) Das Gefühl aber mit dem Messer über die Haut zu gleiten, war bei mir aber in jedem Fall angenehmer als mit dem Hobel.
Über diese "technischen" Dinge hinaus gefällt mir die Idee, einen Tag mit einer ausgedehnten Rasur abzuschließen und nicht mit einer vergleichsweise hektischen Morgenrasur zu beginnen, mehr und mehr. Ich glaube ich mache das die nächste Zeit erstmal so weiter :-) ...
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Forumsteilnehmern - allen voran Bigharry62 - für ihre sehr hilfreichen Beiträge bedanken, die es einem Anfänger wie mir sehr leicht machen/gemacht haben, in die Welt der Messerrasur einzusteigen!
Thomas |