Diskussionsnachricht 000000
03.01.2011, 22:45 Uhr
Bartisto
registriertes Mitglied
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Das Ledern ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine lange Schnitthaltigkeit. Eine exakte, optimale Schärfung muss jedoch vorangehen. Ledern kann nämlich Fusch in der Schärfung nicht ungeschehen machen.
Mein erstes Messer hielt ich vor ca. 25 Jahren bei täglichem Gebrauch über ein Jahr nur durch Ledern scharf, obwohl ich zu dieser Zeit bestimmt noch keine Routine besaß und mich mein Gefummel von damals heute erschrecken würde.
Um der Sache Ledern und Schnitthaltigkeit einmal auf den Grund zu gehen, ist jetzt ein altes Sheffield seit 2008 im Dauereinsatz und besteht den Haartest in 1,5 - 2cm Abstand immer noch bei Berührung bzw. bei leichtester Schnittbewegung.
Es ist also an dem alten Spruch offenbar etwas dran "Die Wate (Schneidkante) wächst". Denn ich habe ganz und gar nicht den Eindruck, dass dieses Messer nachlässt.
Ich will durch diesen Beitrag nicht den Eindruck erwecken, im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit zu sein, möchte hier auch nicht missionieren, denn "Jeder soll nach seiner Facon selig werden". Zum einen möchte ich jedoch den Einsteigern eine Hilfe geben, damit sie schneller an den Kern der Sache herankommen. Zum anderen erhoffe ich mir insgeheim, dass über die zahllosen Videos zum Thema Ledern verstärkt nachgedacht wird und ob das, was weltweit mit einem Anspruch auf Richtigkeit auftritt, auch immer auf einer sicheren Basis steht. Das Medium Film verführt oftmals dazu, auch einer Nullnummer noch wenigstens den Anschein von Richtigkeit zu geben.
Kommen wir zur Sache
Ich arbeite mit dem klassischen Hängeriemen www.bilder-hochladen.net/files/4aer-5d.jpg und nutze die Leinenseite nicht.
Der Hängeriemen erfasst durch seinen Durchhang mit Sicherheit den Gratbereich, wenn die Klinge über die Mitte geht. Die nutzbare Fläche ist ausreichend und übertrifft die des Spannriemens.
Der relativ schmale Hängeriemen behält immer seine plane Form. Er baucht nicht. Er ist für die Kreuztechnik vorgesehen. Man kann aber auf ihm ganz besonders gut einzelne Klingenbereiche durch den geraden Abzug bearbeiten. Betont man die Hälfte der Klinge, die am Erl endet und zieht gerade ab, so gleitet der Erl an der Riemenkante entlang. An der entgegen gesetzten Seite steht die Klinge über. Man zielt also nur diese Hälfte ab. Diese Form ist z. B. auf dem breiten Hängeriemen nicht möglich. Ähnliches gilt, wenn man nur den Mittenbereich der Klinge durch gerade Züge ledern will.
Man sieht, auch ein preiswertes Werkzeug kann vollkommen seinen Zweck erfüllen. :-)
Aufhängepunkt und Grundsätzliches zum Bewegungsablauf
Jeder Metaller wird mir recht geben, dass zum richtigen Feilen die richtige Körper- und Handhaltung gehört. Warum sollte das beim Ledern anders sein?
Haltungen und Bewegungen, die verkrampft und mit Drehungen und Anspannungen ausgeführt werden, sind nicht geläufige und alltägliche Bewegungen. Meine Meinung ist es, dass das Ledern einem ganz natürlichen, alltäglichen Bewegungsablauf ähnlich sein sollte, unverkrampft und ohne große Drehungen und Anspannungen.
Demnach scheiden für mich Aufhängungspunkte für Riemen in ca. 2m Höhe, verbunden mit einem Hoch und Runter in der Abzugsbewegung von vorn herein aus. (Wären dies alltägliche, automatisierte Bewegungsabläufe, so hätten wir Türgriffe oben angebracht und die Türen würden rechts und links in den Angeln hängen und um ihre waagerechte Mittelachse schwingen :-)
Also, ernsthaft, die Armbewegung beim Ledern ist der Bewegung beim Türöffnen sehr ähnlich, wenn sich die Tür nach außen (nach rechts) dreht.
Dementsprechend zeigt dann auch der Riemen nach seiner Spannung in einem Winkel von 45 ° von der Körpermitte aus nach rechts. Der rechte Arm kann dieser Richtung locker folgen (siehe Skizzen zur Kreuztechnik weiter unten).
Das Halten des Riemens
- der Riemen wird in Hüfthöhe eingehängt (Türklinke)
- die linke Hand greift von unten mit Mittel- Zeige- und Ringfinger
oder nur zwei Fingern in die Rechtecköse des Riemens.
Der Handrücken zeigt nach unten, man sieht auf die Fingerkuppen.
- der Steg der Öse liegt in der ersten Gelenkfalte des obersten
Fingergelenks.
Allein durch diesen Griff, durch diese Handhaltung (auch ohne Riemen) liegt der Oberarm locker am Brustkorb an, Ober- und Unterarm bilden fast einen rechten Winkel, die Hand ist ( bei einem Schlankeren :-) ca. 10 cm vom Bauch entfernt.
- der Riemen hängt zunächst noch leicht durch
durch eine leichte Neigung des Körpers nach hinten strafft sich der
Riemen und die Riemenspannung ist hergestellt
Es wird also nicht an dem Riemen bewusst mit freiem Arm gezogen. Die Spannung erfolgt allein aus dieser Haltung. Kommt nun das Messer auf den Riemen, so wirken die Finger wie Federn und geben bei jedem Zug etwas nach und gehen danach wieder in ihre Ausganghaltung zurück.
Die Kräfte und der Durchhang
Eine Zugwaage ( aus einer Angelausrüstung z.B.) kann man zwischen Türgriff und Aufhängeöse des Riemens schalten. Der Zeigerausschlag gibt Auskunft.
Ich arbeite mit ca. 2 kg Anzug, die allein aus der obigen Haltung resultieren.
Der Zeigerausschlag steigert sich dann auf ca. 2,3 bis 2,5 kg, wenn das Messer über die Mitte des Riemens geht und fällt dann gleichmäßig wieder zurück, wenn die Wendungen der Klinge am oberen oder unteren Ende erfolgen.
Dadurch senkt sich der Riemen in der Mitte um ca. 2 - 2,5 cm, und durch diesen neuen Winkel erreicht das Leder den Grat vollständig.
( Wer eine gewisses Gefühl für die Kräfte bekommen will, kann Gegenstände mit entsprechenden Gewichten in die Hand nehmen. Eine Küchenwaage kann auch hilfreich sein, wenn man den Messerandruck empfinden will ).
Zur Skizze Kreuztechnik
Die Skizze zeigt den Bewegungsablauf von oben. Die Wendung des Messers erfolgt grundsätzlich über den Rücken. Man sollte beachten, dass das Messer IMMER mit dem Rücken Kontakt zum Riemen hat. So werden Einschnitte in den Riemen vermieden. Kurz vor dem Wenden sollte nur die Schneide schon minimal angehoben werden, damit die Rollbewegung über den Rücken flüssig verläuft und auch beim Wenden kein geringfügiges Einhaken ins Leder erfolgt.
Ich bitte inständig darum, diesen Bewegungsablauf zunächst ganz mit Bedacht und Überlegung durchzuführen und sich nicht von dem Gewitsche, wie man es aus Videos sieht, verleiten zu lassen.
Auch ist ein Üben dieses Ablaufs mit einem flachen Besteckmesser, einem Übungsmesser oder einem ähnlichen Gegenstand sinnvoll,bevor man erstmals mit seinem optimal geschärften Messer auf das Leder geht. -
Noch heute konzentriere ich mich sehr, wenn ich das Ledern ausführe. Zum Witscher werde ich mich aus gutem Grund nie entwickeln. -
Konzentration beim Ledern ist aber etwas anderes als Zimperlichkeit. Es muss sich auf dem Leder etwas abpielen. Man muss auch etwas hören.
Die Skizze Kreuztechnik
www.bilder-hochladen.net/files/4aer-5c-jpg.html
Was spielt sich aber in der Hand ab, wie vermeidet man diese Drehungen in Handgelenk und Unterarm, die einem natürlichen Bewegungsablauf im Weg stehen ?
Diese Skizze www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4m-jpg.html zeigt, wie das Messer gehalten werden soll, wenn es auf das Leder aufgelegt wird. Das ist die Voraussetzung.
So sollte es meiner Meinung nach nicht sein www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4n-jpg.html
Jetzt der Ablauf aus Sicht des Akteurs
Der Start mit richtiger Messerhaltung www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4o-jpg.html
So kommt das Messer oben an. Die Handhaltung hat sich nicht verändert!
www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4p-jpg.html
Skizze 5
Das Messer ist in der Hand gewendet worden, Handgelenk und Unterarm waren nicht beteiligt
Beim Zug zum Körper hin bliebt der Handrücken in annähernd gleicher Lage wie beim Zug vom Körper weg.
www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4q-jpg.html
Dieses Wenden des Messers in der Hand ohne merkliche Beteiligung des Handgelenks und des Unterarms sollte man vorher ohne Riemen frei üben. Es ist wesentlich leichter als es scheint, vorausgesetzt, man richtet sich nach Skizze 1. dem richtigen Ausgangsgriff, der dieses Drehen des Messers in der Hand erst ermöglicht.
Das Messer kommt unten wieder an und der Ablauf beginnt wieder
www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4r-jpg.html
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Mit dieser verdrehten Hand und dem entsprechend gedrehten Unterarm sollte der Zug zurück NICHT erfolgen.
www.bilder-hochladen.net/files/4aer-4s-jpg.html
Und wer nach diesen Ausführungen noch etwas zur Belustigung braucht, der sollte bei diesem Video www.youtube.com/watch?v=PSF7Zzs46XI den Ton abschalten und zusehen, wie hier sogar auf der rauhen Fleischseite des Riemens herumgekurvt wird, wie der Riemen gehalten wird, wie das Messer eingeklemmt wird und sich nur noch über Handgelenk und Unteram wenden lässt, wie der Rücken das Leder verlässt
wie man offenbar noch nie etwas über die Kreuztechnik, die auf dem schmalen Riemen alle Klingenbereiche erfasst, gehört hat und wie man Professionalität durch ein wildes Gewitsche vortäuscht.
Ich hoffe, dass hier ein kleiner Wall gegen so etwas aufgebaut werden konnte, und ich wünsche allen eine rekordverdächtige Schnitthaltigkeit des Messers, unseren Einsteigern ganz besonders.
Es grüßt
Bartisto
-- Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten. Konfuzius Diese Nachricht wurde am 03.01.2011 um 23:03 Uhr von Bartisto editiert. |