Diskussionsnachricht 000016
17.09.2004, 11:07 Uhr
Stefan P. Wolf
Forumsgründer
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Dann werde ich mich 'mal zu Wort melden. Ich muss zugeben, daß ich seit
einiger Zeit etwas mit dem Lesen im Forum zurück bin, da ich beruflich
sehr stark eingespannt bin -- auch vom Nebenberuf NassRasur.com und
seinem Shop.
Um es frei heraus zu sagen: ich bin reichlich sauer wegen der Aktion
und seiner dilettantischen Vorbereitung. Da nimmt jemand, der eigenen
Worten nach praktisch keine Ahnung von Rasiermessern hat und die ein-
zelnen Modelle und ihre Eigenschaften nicht kennt Kontakt mit einem
Hersteller auf und fragt SEHR WOHL im Namen der Forumsteilnehmer nach
einer Billigvariante. Von dieser Aktion habe ich erst nach einer Ge-
wissen Anzahl Nachrichten zwischen DOVO und Christian erfahren und fiel
aus allen Wolken.
Es ist an sich überhaupt nicht verwerflich, Rasiermesser nur als Werk-
zeuge anzusehen und ihnen ansonsten überhaupt nichts abzugewinnen.
Christian ist eigenen Worten nach so ein Mensch, er findet Rasiermesser
grundsätzlich nicht schön und interessiert sich daher für einfache
Lösungen ohne Schmuck.
Ich sehe allerdings keinen Handlungsbedarf! Bei Verzicht auf Klingen-
schmuck, Hochglanzpolitur und teure Griffmaterialien erhält man beim
Bergischen Löwen ein DOVO Standardmesser ganzhohl in 5/8" mit Kunst-
stoffgriff, welches bei Rödter für 44 Euro angeboten wird. Das Mate-
rial und der Hohlschliff sind der gleiche -- jedenfalls wenn sie beide
sorgfältig geschärft sind. Mir ist nicht bekannt, daß DOVO die preis-
werten Messer extra etwas stumpfer lässt, das wäre auch Unsinn.
Etwas anders sieht die Sache bei der Serie "Prima Klang" aus, dort
liegt der hohe Preis viel weniger als man denkt bei den exotischen
Hölzern der Griffe als vielmehr beim besonders aufwändigen singenden
Schliff. Nun bringt dieser besonders tiefe Hohlschliff dem erfahrenen
Rasierer durchaus noch das i-Tüpfelchen an Gründlichkeit, dieses
bleibt dem Gelegenheits-Rasiermesserrasierer aber verborgen und den
Anfänger überfordert die Flexibilität und gewöhnungsbedürftige
"unnatürliche" Nachgiebigkeit der dünnen Klinge m.E. völlig. Es bedarf
schon einiger Übung, eine so dünne Klinge am Kinn nicht nur springen
und kratzen zu lassen.
Und ganz im Ernst, welcher erfahrene Rasiermesserrasierer möchte denn
auf die genau ausgewogene Balance der ausgesuchten Griffmaterialien
zugunsten weniger Euro verzichten? Insbesondere dann, wenn ein Teil
der Ersparnis für den Mehraufwand einer kleinstückzahligen Sonder-
anfertigung wieder aufgefressen wurde. Da drückt ja niemand auf einen
Knopf und heraus kommt ein Messer mit Horngriff und beim Knopf daneben
ist es Micarta oder Plastik. Die Griffe aus anderem Material müssen
erst für die Klinge entwickelt und angepasst werden (jede Klingenform
hat Besonderheiten, die von der Griffform, der Griffgröße, den Ab-
standseinsätzen und anderen Parametern passend ergänzt werden müssen.
Das alles und die Anbringung an jede Klinge sind alles Handarbeiten!
Insofern: für Einsteiger sehe ich keinen Bedarf für noch mehr Ein-
steigermesser neben den Modellen in halb- und ganzhohl mit Kunst-
stoff- und Holzgriffen -- für Liebhaber, Profis und Sammler macht
eine Verbreiterung des Sortiments im unteren Preissegment ebenfalls
keinen Sinn.
Weiter: DOVO ist nicht unser Ansprechpartner für Sonderwünsche, das
wurde oft genug gesagt! DOVO ist durch die Qualität dem Kunden ver-
pflichtet -- beim Sortiment, der Preisgestaltung und den Aufträgen
aber allein dem Zwischenhandel, der sich aus niedergelassenen Fach-
händlern zusammensetzt. DOVO verkauft nicht am Zwischenhandel vor-
bei an Endkunden und DOVO entwirft auch nicht mit uns ein Rasier-
messer. Wenn wir Wünsche bezüglich *sinnvoller* Sondermodelle haben
(was ich hier absolut nicht gegeben sehe, die Aktion war unüberlegt
und widersinnig), dann müssen wir dieses Messer bei einem DOVO-Partner
in Auftrag geben und der verhandelt dann mit DOVO über Preis und vor
allem Machbarkeit bezüglich der beschränkten Kapazitäten im Spezial-
handwerk. Das ist auch gut so, DOVO ist Hersteller und nicht Vertrieb.
Und ich werde mich der allgemeinen Preistreiberei anderer Branchen
("Geiz ist geil") in diesem Bereich nicht anschließen. Die Suche
nach preiswerten "Zutaten" für unser Hobby ist okay und das Angebot
ist breiter als man bei der Situation des Spezialhandwerks fürchten
müsste, wir können uns kaum beklagen. Auf keinen Fall werde ich einer
Qualitätsmanufaktur oder unseren Handelspartner Vorschläge unter-
breiten, von denen nur wir etwas haben. Denn natürlich erhöht das nur
den Umsatz und nicht den Gewinn und wie wir alles wissen sollten: das
bedeutet mehr Arbeit ohne mehr Geld.
Wenn wir einen echten breiten Bedarf haben, dann ist das etwas
anderes. Für die Liebhaber und Profis ist mit "Prima Klang" ein
Anfang in Richtung alte Tradition gemacht und da wird auch mehr
kommen. Wer nur auf das Haare abschneiden aus ist, ist als Einsteiger
im Bereich der 3-, 5- und 6-Zoll-Messer mit bereits 39-49 Euro durch
vier Kunststoffgriff-Modelle allein bei Rödter gut bedient, die tun
genau das. Wer ernsthafter einsteigen will und bessere Balance wünscht
(und für ein kleines mehr an Schönheit und Handhabbarkeit auch den
Mehraufwand und Materialpreis bezahlen mag), der findet im Bereich
67-89 Euro Griffe aus Zelluloid, Edelstahl, Ebenholz, Olivenholz und
Pakkaholz und auch rostfreien Stahl als Klingenmaterial. Kurz darüber
kommt Knochen und ab 99 Euro gibt es dann schon Sondermodelle (Knochen
weiß in 6/8) und bei knapp 115 Euro die Prima Klang. Alles darüber
sind Liebhabermodelle mit hohem Materialwert, die dem reinen Sparfuchs
auch in der Billigausführung nicht mehr bieten, als ein niedrigprei-
sigeres Modell. Ein Prima Klang mit so billigen Griffen, daß trotz
Sonderanfertigung eine echte Ersparnis herausspringt, das wäre Plastik.
Und dann ist durch den Gewichtsverlust die Balance so im Eimer, daß
die singende Klinge es auch nicht mehr bringt. Heraus kommt nur noch
ein schlechtes Messer.
Ein gutes Messer unter diesen Preisen gibt es auch noch gelegentlich
gebraucht bei uns im Mitgliederhandel. Ansonsten bei Auktionen und
Märkten, aber zu diesem Weg (meist ohne Rüchgaberecht) braucht man
Zeit und Erfahrung, das Lehrgeld könnte sonst die Ersparnis weit
übersteigen. Ein maschinell beim "Messerschärfer" bearbeitetes
Rasiermesser ist nämlich einfach nur kaputt -- es bleibt nie mehr
lange genug scharf für eine Rasur. Totalschaden! Sehen tut man das
nicht...
Also das nächste Mal erst informieren, dann handeln. Und nicht mit
DOVO verhandeln, die sind der falsche Ansprechpartner. Die sollen
alle Zeit darauf verwenden, die schönen Messer zu machen und den
dringend benötigten Nachwuchs zu suchen und auszubilden -- sonst gibt
es bald nur noch die tollen Pakistan-Rasiermesser für unter 10 Euro.
Nur sind die zum Rasieren ungeeignet (Stahl aus unhärtbarem UDSSR-
Armee-Schrott, stumpf aus der Plastiktüte) und potthässlich. Damit
kann man nichtmal vernünftig ein Brot schmieren oder ein Fenster ein-
werfen, geschweige denn vielleicht wenigstens schärfen lernen. Dazu
müsste man es ja erstmal scharf bekommen KÖNNEN. Fragt Norbert, der
hat sie auch schon kennengelernt. Da ist das Geld dann komplett ohne
Gegenleistung in den Sand gesetzt.
Wenn man also die preiswertesten Messer sucht, die trotzdem prima
rasieren: die gibt es schon.
Gruß, Stefan.
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