Diskussionsnachricht 000002
23.10.2013, 16:48 Uhr
The American
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Komme gerade vom türkischen Barbier und muss hier einfach mal meine Begeisterung loswerden. Ich habe seit einigen Wochen extreme Probleme mit eingewachsenen Barthaaren, trockener und empfindlicher Haut - das ganze Programm. Seit ich hier in Alanya bin (jaja, ich weiß, geht gar nicht, war ein "Destinationsausrutscher", der nicht wiederholt wird), wurde es immer schlimmer. Ein Haarschnitt war jedenfalls fällig und mir wurde ein bestimmter Friseur empfohlen.
Den Laden betrat ich mit der festen Absicht, mich aufgrund meiner Hautprobleme nicht rasieren zu lassen - sobald ich auf dem Stuhl saß und mein Stoppelfeld im Gesicht sah, musste ich meine Meinung notgedrungen ändern. Als er allerdings direkt ohne Einweichen mit dem Einseifen loslegte, war meine Skepsis wieder da - das konnte nicht wirklich gut gehen. Damit lag ich allerdings komplett falsch, denn er legte mit seinen Haus- und Hofmittelchen eine Rasur hin, die ich so ungelogen noch nie erlebt habe.
Der Ablauf in Kürze: Warmer bis heißer (!) Arko-Schaum mit 08/15-Pinsel im Plastik-Napf aufgeschlagen und ca. zwei bis drei Minuten mit den Händen gekonnt einmassiert. Die Konsistenz war m. M. alles andere als perfekt - zu dünn und substanzlos für meine Verhältnisse. Ich sah mich schon die nächsten zwei Tage mit Pickel und Rasurbrand herumlaufen - aber auch da irrte ich mich. Permasharp SE Klinge in die Shavette und er legte los – einmal mit, einmal quer zum Strich (im Kinn und Lippenbereich auch beim zweiten Mal auf meinen Wunsch nur mit).
Was soll ich sagen: Der junge Mann war ein wahrer Rasurgott. Vorsichtig, aber routiniert – sanft, aber super-gründlich. Darüber hinaus extrem diszipliniert: nirgendwo auch nur ansatzweise gegen den Strich. Sicher umkurvte er meine Problem-Spots wie Muttermale sowie eine erst kürzlich verheilte Operationswunde am Kiefer – und trotzdem blieb nirgendwo auch nur das kleinste Haar stehen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Ein prüfender Blick und Tast-Check - abspülen. Das obligatorische Colonya lehnte ich dankend ab, die 80 Prozent Alkohol halte ich einfach nicht aus. Dafür ganz nettes ASB (Füme), das ich entgegen meiner Erwartungen gut vertrug. Kein Rasurbrand, kein eingewachsenes Haar, tolle und glatte Haut. Soviel zum Thema Traum-Rasur.
Das war aber erst der Anfang. Er trug 'ne Peeling-Creme auf (nach der Rasur, der Wahnsinnige!), die zwar ziemlich zwiebelte, aber ich erkannte meine Haut danach nicht wieder - tolles Hautbild, klar, sauber, weich! Weiter ging's: Komplette Augenpartie und Stirn mit heißem Wachs enthaaren - mir stand zwar das Pipi in den Augen, aber als ich sah, was er da an Wolle runterholte, wusste ich auch warum. Kein deutscher Friseur hat das bei mir jemals auch nur angesprochen, geschweige denn angeboten – nein, da lässt man den Kunden lieber wie 'nen Yeti auf die Menschheit los. Dann meinen Urwald von Augenbrauen gestutzt und in Form gezupft - und zwar mit ganz natürlich-gepflegtem Ergebnis und nicht so peinlich metrosexuell, dass ich danach bei Deutschland sucht den Superstar auftreten könnte. Einfach klasse.
Immer noch nicht fertig. Nasenhaare schneiden, Ohrhaare wie hier üblich mit der "Fackel" abflämmen, gründliche und interessant anzusehende "Epilationsakrobatik" der kompletten oberen Gesichtshälfte mit Zwirn - da ist jetzt komplett tabula rasa. Es folgte lt. meinem Wunsch ein Eins-A-Faconschnitt im 30er-Jahre-Stil, vor dem die meisten deutschen Friseure bisher bei mir auch immer Angst zu haben schienen und mir irgendwelche albernen pseudomodischen Strähnen zurechtstylten oder Abstufungen reinbrachten, damit's nicht ganz so old-school aussah. Ich will's aber nun mal old-school! Er hat's trotz Sprachbarriere sofort kapiert. Das Ergebnis war perfekt.
Das Ganze wurde abgerundet mit einer tollen Arm-, Hand- und Schultermassage - und ich verließ den Laden nach geschlagenen zwei (!) Stunden, die sich aber wie eine halbe anfühlten, und fühlte mich wie ein neuer Mensch. Warum danach kein einziges abgeschnittenes Haar im Kragen piekste (ich HASSE das) - auch das wird immer sein Geheimnis bleiben.
Ach ja, Kostenpunkt für den ganzen Top-Service: 9 Euro tutto kompletto. Wenn man sich auf Vorrat rasieren und frisieren lassen könnte, ich würde bis zu meinem Abflug jeden Tag noch dreimal hingehen. Das war kein Friseurbesuch, das war eine Wellnessbehandlung - einfach fantastisch. Wenn ich wieder zuhause bin, werde ich so lange jeden türkischen Barbier-Salon ausprobieren, bis ich einen gefunden habe, der mir einen vergleichbaren Service bietet. Die Latte liegt jedenfalls hoch.
Und noch eins hat mir dieses Erlebnis wieder mal bestätigt. Man kann entweder mit verschiedenen Seifen, Pinseln, Wässerchen, Pre- und After Shaves sowie Einweichtechniken herumdoktern – wenn die Erfahrung und Technik stimmt, kann man mit den einfachsten Zutaten eine Traumrasur hinbekommen.
-- The American |