Diskussionsnachricht 000000
04.03.2013, 16:45 Uhr
eblumen
registriertes Mitglied
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Hallo zusammen,
nachdem ich nun schon einige Zeit mitlese, möchte ich mich an dieser Stelle einmal zu Wort melden und meine Erfahrungen mit dem Thema Hobeln und Rasiermesser schildern.
Auf die Idee, es einmal mit der Messerrasur zu versuchen, kam ich durch den neuesten James Bond Film „Skyfall“. Cooles Ding, dachte ich mir, das musst Du auch mal ausprobieren. Kenne selbst keinen, der sich mit einem Messer rasiert und habe das auch sonst nirgends gesehen, also auch keine Idee diesbezüglich gehabt.
Also zuerst einmal gegoogelt. Und dabei einige Youtube Videos entdeckt, die sehr cool aussahen. Das Video von Willipeter99 fand ich sensationell. Im Nachhinein betrachtet muss ich sogar sagen: todesmutig.
Also weiter gesucht und auf diversen Seiten fündig geworden, zum Schluß in diesem Forum angemeldet und viele Infos erhalten, für die ich allen Mitgliedern an dieser Stelle einmal danken möchte.
Der wichtigste Hinweis für mich war anfangs: Die Rasur mit dem Rasurhobel kommt der Messerrasur am nächsten. Also: Rasierhobel bestellt. Natürlich konnte ich den Tag der Lieferung nicht abwarten und bin nach 4 Tagen im Discounter vorbei gefahren und habe mir einen WC Classic geholt (Männer sind wie Kinder, nur die Spielzeuge werden teurer). Abends gekauft, am nächsten Morgen aus dem Bett gesprungen und voller Vorfreude ins Bad geeilt. Ich glaube ich habe mich in den 24 Jahre, die ich mich jetzt nass rasiere noch nie auf eine Rasur so gefreut !
Anfangs dachte ich, das geht doch gar nicht. Das kann vom Winkel her niemals hinhauen, da musst Du Dich doch schneiden. Auch diverse Berichte hier im Forum, wie man einen Hobel hält und wie er funktioniert waren nur graue Theorie. Die Wirklichkeit ist vieeel einfacher. Klinge rein und los geht es. Einen Hinweis kann ich an alle Hobeleinsteiger geben: Nicht drücken, bloß nicht drücken, es geht ohne fühlbaren Druck, der Mut kommt später, mit der Erfahrung zusammen !
Nach meiner ersten Rasur ohne Schnitt dachte ich mir, dass die gute Vorbereitung sicherlich hilfreich war, aber die Erfahrung mit Systemies völlig ausreicht, um in die Hobelrasur einzusteigen. Also an alle Einsteiger: Nur Mut ! Es geht wie von selbst und – Ihr ahnt es schon – NICHT DRÜCKEN !
Meinen ersten Schnitt mit dem Hobel an der Oberlippe habe ich mir zugezogen, als ich versuchte, mich während der Rasur mit meinem Sohn zu unterhalten. Die Narbe verblasst langsam, in ein paar Monaten wird man nichts mehr sehen. Merke: eine Klinge verzeiht nichts !
Der Entschluss auf die Messerrasur zu wechseln war natürlich gefallen. Also im Handel diese Shavette für 3 EUR bestellt, die man mit halben DE Klingen bestücken kann.
Ein Mörder Teil: Erstens kriegt man die Klingen nicht so leicht rein und wenn doch, dann ist die Klingengeometrie nicht mit der eines RM vergleichbar. Der erste Versuch begann vielversprechend und ich dachte: Soo einfach ? Gibt’s doch gar nicht. Einmal im Halbkreis schwungvoll über die Wange gezogen (bei Youtube geht das auch) und – richtig - diese Narbe wird bleiben. Glückwunsch und gut gemacht. Meine Frau ist begeistert.
Also in die Bucht gegangen und versucht, dort ein RM zu schießen. Das ist gar nicht mal so einfach, wenn man nicht mindestens 60 EUR ausgeben will, kriegt man meiner Meinung nach da nichts Vernünftiges. Ich habe es trotzdem geschafft und mit für 11 EUR ein Messer ersteigert. Als das Ding kam, war die Ernüchterung erst mal groß. Es war viel schmaler als es auf den Fotos aussah. Vielleicht 3/8 Zoll, aber nichts im Vergleich zu den tollen 6/8 Kingen, die man bspw. von Thiers Issard geliefert bekommt. Rasiert hat es auch nicht – hatte der Verkäufer aber auch nicht zugesichert. Also meinen blauen Belgischer Brocken ausgepackt und Freitag abends versucht zu schleifen.
Das ist gar nicht so einfach, wie in den Youtube Videos aussieht – ich höre die Leser dieses Beitrages, die Messer schleifen beim Lesen dieser Wort laut auflachen. Ja, Ihr habt Recht, das sollte man den Profis überlassen.
Also – Profi kontaktiert. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich mit mehreren hilfsbereiten „Schleifern“ Kontakt hatte. Am schnellsten und einfachsten war es mit Bartisto. Ja, der gute alte Bartisto, das „alt“ soll hier nicht despektierlich sein, sondern Ausdruck höchster Wertschätzung. Der Mann weiß, wovon er redet. Nach einem Telefonat mit ihm habe ich erfahren, dass das Schleifen von Küchenmessern mit dem Schleifen von Rasiermessern in etwa so viel zu tun hat, wie eine Fahrt von Hamburg nach München (Küchenmesser) mit einem Mondflug (Rasiermesser).
Ich habe dann von Bartisto ein Gold Dollar 66 für insgesamt 35 EUR erhalten. Nachdem was mir Bartisto erzählt hat, muss ich an dieser Stelle einmal sagen, dass diese 35 EUR ein Witz sind. Das ist niemals kostendeckend und geschweige denn macht der gute Bartisto damit einen „Reibach“. Vielmehr hat Bartisto sehr viel Zeit und Wissen dafür aufgewendet, dass ein blutiger Anfänger ein Messer bekommt, das man getrost als Rasiermesser bezeichnen darf.
Nachdem das GD 66 geliefert wurde, habe ich es erst einmal ausgepackt und am Unterarm den Haartest durchgeführt. Und was soll ich Euch sagen ?!?
Meine Güte, war das scharf. Nur ein ein Laserschwert ist schärfer. Von wegen billig China Kram.
Danach die Ausführlichen Anleitungen von Bartisto gelesen und festgestellt, dass ich bis dato noch nichts falsch gemacht hatte. An alle: Bitte keine weiteren Schärfetests durchführen, sondern erst lesen, dann schneiden. Gut, dass ich der Versuchung widerstand....
Nach ca. 3 Tagen war es dann soweit. Wochenende, Zeit für eine Rasur, Messer ausgepackt und los ging es. An dieser Stelle sei einmal erwähnt, dass entweder ich zu blöd oder meine Hände zu groß sind- jedenfalls gelang es mir nicht, mich beim Rasieren im Spiegel so zu betrachten, dass ich die Klinge sah. Also gefühlvoll angesetzt und quasi im Blindflug die Wangen rasiert. Es kratzte und schabte, aber das lag am Winkel, wie mir Bartisto eine Email später erklärte. Der Winkel war zu steil. Es darf zwischen Wange und Messerrücken nur ein Bleistift passen, nicht mehr, sonst schneidet man sich. Dies blieb mir zum Glück beim ersten Mal erspart, aber ich hatte gehörig Respekt vor dem Ding und rasierte den Rest mit dem Hobel. Das war für mich viel stressfreier und angenehmer. Danach besorgte ich mir einen Abziehriemen aus dem Forumsshop und zog das Messer vor der nächsten Rasur nach Bartisto-Manier ab. Funktionierte hervorragend. Ich hatte wieder ein höllisch scharfes Messer. Beim nächsten Versuch habe ich mir dann – mutig wie ich bin – auch die Kinnpartie und den Übergang zum Hals rasiert und mir dabei eine 2 Quadratmillimeter große Wunde zugefügt. Tat gar nicht weh, blutete aber höllisch. Merke : Die Klinge verzeiht keine Fehler !
Danach hat sich die Bewunderung für die Herren, die es mit dem RM schaffen ins schier Unermessliche gesteigert und ich habe beschlossen, das Messer abzugeben (vor allem wegen der Versuchung es doch noch zu schaffen), denn bei vernünftiger Betrachtung ist es für mich nichts. Bei zwei kleinen im Bad herumhüpfenden Kindern werde ich mir dieses Ding nicht an den Hals setzen, denn ich bin zwar mutig aber nicht lebensmüde. Meine Frau ist auch glücklich darüber. Vielleicht kann man die Narbe abschleifen, das soll der Arzt entscheiden.
Eines weiß ich jedenfalls: Es lag nicht am Messer, das ist über jeden Zweifel erhaben, es lag an mir. Vielleicht nehme ich mir durch den Verzicht auf das Messer die Freude, die einige hier empfinden mögen, aber ich traue mir das ehrlich gesagt nicht mehr zu. Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass das RM sanfter oder gründlicher ist als der Hobel, vielleicht aber auch, weil ich mich nicht traute, gegen den Strich zu rasieren.
Für mich persönlich ist der Rasierhobel (Merkur 38, Feather Klingen) die erste Wahl, denn das Rasieren geht zügig und er ist sparsamer als ein Systemie. Weitere werden sicherlich folgen...
Ich hoffe, mit dieser Erfahrungsschilderung anderen Einsteigern eine kleine Hilfe gegeben zu haben und grüße herzlichst aus Saarbrücken
Eric |