Diskussionsnachricht 000000
22.03.2013, 19:27 Uhr
Stefan P. Wolf
Forumsgründer
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Hier herrscht offenbar einige Unsicherheit, besonders bei Neulingen
oder Anwendern, die sich den ersten (dichten) Dachs zulegen. Vielleicht
wird eine FAQ daraus. Am Ende gibt es sogar einen Link auf ein Video,
dass hier offenbar noch nicht genannt wurde.
Das Folgende nennt explizit Dachspinsel. In abgeschwächter Form (weil
robuster) gilt es aber auch für andere Naturhaarpinsel (Schweineborste,
Rosshaar) und noch eingeschränkter für das besonders pflegeleichte
Synthetikhaar.
Man hat sich endlich einen schönen (und teuren!) Silberspitz geleistet,
der Pinsel ist seit einiger Zeit in Gebrauch (eingearbeitet), der Kopf
wunderbar fest, die Spitzen streichelzart, der Schaum die reinste
Schlagsahne, feinporig und fest, das pure Glück. Bis plötzlich, nach
ein paar Wochen oder Monaten, der Pinsel bei Gebrauch immer wieder
Haare verliert. Ein paar, ein paar mehr, aber es hört nicht auf. Was
ist da los? Das darf doch nicht passieren, der war doch teuer! Etwa ein
Herstellungsfehler?
Herstellungsfehler beim Binden können vorkommen, sind bei teuren Pinseln
aber durch die reine Handarbeit nahezu ausgeschlossen. Bei Fabrikpinseln
(nicht handgebunden, maschinell verklebt) kann es eher vorkommen. Ist
die Verklebung nicht vollständig und ein ganzes Büschel nicht vom Kleber
erfasst, lösen sich schon bei den ersten Benutzungen diese Haare und
der Pinsel hat ein Loch. ACHTUNG! Was schon 'mal vorkommen kann: das
Auskämmen der Haare im trockenen Zustand ist nicht immer vollständig,
so dass der Pinsel in der ersten Zeit einzelne lose Haare verliert, die
z.T. zwar nicht vom Kleber erfasst, aber trotzdem hartnäckig festhängen
können, nach einigen Benutzungen sind sie aber 'raus. Das ist kein
Herstellungsfehler, das lässt sich nicht verhindern und ist harmlos.
Aber was ab jetzt passiert bzw. was der Pinsel nun im weiteren Leben
verliert, sind abgebrochene Haare!
Haarbruch entsteht einerseits durch starkes und/oder wiederholtes
Stauchen, Knicken oder Verdrehen der Haare, wie es z.B. beim "Stampfen"
im Tiegel oder beim zu brutalen Wringen vorkommt, auch das regelmäßige
Anschlagen des Pinselkopfes an eine Kante oder unsachgemäßes Aufkämmen
kann Haare zerbrechen. Auf Reisen gehört ein Pinsel in eine stabile
Hülle. Haare, die regelmäßig entfettet (mit Spüli etc.) und nicht
mit teilverseiften RSn/RCs rückgefettet werden, auf der Heizung stehen
oder in der prallen Sonne (auch nicht trockenfönen!) werden mit der
Zeit spröde. Ständige Nässe (unzureichendes Ausschlagen, regelmäßig arg
feucht im unbelüfteten Schrank aufbewahrt, nass in der Reisehülle ver-
gessen) schadet auf Dauer. An einem offenen Ort ohne künstliche Be-
schleunigung trocknen lassen -- es versteht sich von selbst, dass
mehr als ein Pinsel im Wechsel für die Lebensdauer das allerbeste ist.
Chemische Reinigungsmittel können die Haarstruktur ebenfalls schädigen.
Und nicht alles, was unsere Kopfhaare aushalten, ist gut für den Pinsel.
Unsere Haare wachsen ständig nach, unser Pinsel hat mit Glück 15 oder
mehr Jahre immer die gleichen Haare!
Am schlimmsten ist jedoch der Einfluss von Seife tief im Pinselgrund.
So macht man die Probe: am besten Abends das Licht aus oder eine dunkle
Wand im Hintergrund und eine Schreibtischlampe anmachen, im Lichtschein
den Pinselkopf mit dem Daumen "durchblättern". Staubt es? Das ist Seife
und ggf. Kalk. Die Seife soll die Barthaare weich machen, diese Wirkung
hat sie auch bei allen natürlichen Pinselhaaren. Wirkt sie dauerhaft
auf das Pinselhaar ein und kommt noch mechanische Wirkung des Seifen-
staubs im Pinselgrund dazu, werden die Haarschäfte immer mehr geschwächt
und geben immer mehr nach. Kleine Wirkung, viel Zeit, irgendwann ist
wieder ein Haar durch. Und verschiedene der o.g. Faktoren ergänzen sich.
Wie reinigt man den Pinsel richtig? Dumme (aber richtige) Antwort: schön
gründlich! Es muss schlicht unter fließendem Wasser so viel Seife aus
dem Pinselkopf, wie möglich. Kuriosum: gerade besonders teure und gute
Pinsel sind üppig dichter und fester gebunden, so will man es ja auch.
Teure Pinsel sind dadurch aber auch schwerer gründlich auszuspülen, es
ist daher nicht so, dass man bei Luxuspinseln dafür bezahlt, dass sie
pflegeleichter oder weniger empfindlich (bzw. anfällig) für Verseifung
sind, sie brauchen wie teure Uhren, teure Schuhe oder andere Spitzener-
zeugnisse eher etwas mehr Pflege und Wartung, um auf dem hohen Niveau
zu bleiben. Einen Synthetikturnschuh für 30 Euro kann man in die Wasch-
maschine stecken und einen locker gebundenen Billigst-Fabrikdachszupf
kann man auch kurz abspülen und fertig, kratzt zwar das Kinn, aber
nicht den Geldbeutel, wenn's mal schiefgeht (und da wundert sich auch
keiner, wenn der gelegentlich Haare verliert -- auch wenn's die gleichen
Gründe und eben nichts mit dem Preis zu tun hat).
Wie aber geht es nun richtig? Im folgenden Video der Firma Thäter (gilt
aber für alle Pinsel) sieht man zuerst das Aufschäumen. Klappt im Tiegel
ebenso gut wie hier exemplarisch auf der Hand gezeigt, oder auch direkt
im Bart (Nachteil: die Reibung an den Bartstoppeln "verbrauchen" den
Pinsel schneller als das Aufschäumen an einer glatteren Oberfläche, hier
muss man zwischen Bequemlichkeit und Lebensdauer des Pinsels schlicht
Kompromisse schließen). Danach dann gleich das Ausspülen mit viiieeeel
Wasser und das Ausschlagen.
Ach so, bevor jemand schreit "Wasserverschwendung, asozial!": Wasser
kann man in unseren Industrieländern nicht verschwenden! Keinem Land
mit Wassermangel ist geholfen, wenn wir in Europa Wasser sparen. Und
unser Geldbeutel? Da gab es neulich eine Reportage: Wasserstopp im Klo
und "Hahn zu beim Zähneputzen" haben gewirkt, wir Deutschen verbrauchen
inzwischen am Tag jeder 20 Liter weniger als vor einigen Jahrzehnten.
Spart das Geld? NEIN! Durch den geringeren Abfluss und Wasserspiegel in
der Kanalisation haben die Versorger beim Unterhalt der Abwasserkanäle
massive Probleme mit dem Verschlicken derselben, was früher durch die
größere Abwassermenge verhindert oder zumindest stark reduziert wurde.
Die Kosten für die enorm gestiegenen Instandhaltungskosten zahlen wir
alle durch einen entsprechend gestiegenen Wasserpreis. Würden wieder
alle ohne (grundlos!) schlechtes Gewissen Wasser verbrauchen (kaltes
oder lauwarmes, wohlgemerkt, Energie ist eine andere Geschichte!), wäre
die Wasserrechnung nicht höher, eher niedriger. Also spült Eure teuren
Pinsel vernünftig (und erklärt die Zusammenhänge mit dem "Wassersparen"
auch anderen). Auch wenn man selber erstmal anfängt: selbst 3 Liter
Wasser täglich mehr sind keine 10 Euro im Jahr (Komplettkosten inkl.
Abwasser), das sollte einem der Pinsel sowieso wert sein.
So, hier nun endlich das Video. Wichtig: ab 0:55 wird demonstriert, was
passiert, wenn man zu stark aufdrückt. Nach dem Abheben des Pinsels ist
richtig eine Mulde tief bis in den Grund degrückt und die Haare werden
dort stark umgebogen und beim Bewegen des aufgedrückten Pinsels auch
verdreht. Mit den Haarspitzen aufschäumen, nicht mit dem Griff!
www.youtube.com/watch?v=6-ExRLz41hs
PS: wegen einiger Anfragen -- die verwendete Seife ist die Haslinger
"Schafmilch & Lanolin"
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... alles auf www.NassRasur.com! Diese Nachricht wurde am 26.03.2013 um 10:20 Uhr von Stefan P. Wolf editiert. |