Diskussionsnachricht 000000
24.06.2013, 12:51 Uhr
Elbe
registriertes Mitglied
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Mich würde mal ein Gedankenaustausch zum Thema „Schärfe von Rasierklingen“ interessieren. Wann immer es in Foren auf das Thema kommt (und das kommt es oft!), dann heißt es, das nichts, aber auch gar nichts an die Schärfe einer japanischen Feather-Klinge herankäme. Die Königin der Klingen! Geht wie ein heißes Messer durch die Butter! Viele Oohs! und Aahs! in den Foren und Anfänger trauen sich schon gar nicht mehr, den Hobel anzufassen, wenn eine dieser sagenumwobenen höllisch scharfen Feathers darin ist.
Die Derby hingegen! Kratzig, stumpf, selbst für Ceranfeldschaber nur in höchster Not man gerade so ausreichend. Und nur mit Ach und Krach könnte sich ein Selbstmörder damit die Pulsadern aufschneiden.
Ich sage jetzt mal ganz provokant, daß ich trotz jahrelanger Hobelei und Beschäftigung mit der Materie mich außerstande sehe, sicher beurteilen zu können ob z.B. eine Feather schärfer ist als eine Gillette Silver Blue, oder ob es sich nicht vielleicht sogar umgekehrt verhält. Obwohl das ja wohl für viele User etwas absolut Unvorstellbares ist und das ganze Weltbild auf den Kopf stellt.
Wie kommt Ihr dazu, die Schärfe einer Klinge beurteilen zu können? Ich kann das nur implizit, d.h. ich kann sicher beurteilen, wie gründlich die Rasur war. Am ehesten dadurch, ob die Rasur überhaupt perfekt glatt war und dann danach, nach wieviel Stunden wieder allererste Stoppeln fühlbar sind. Nach zwei Stunden war es Mist, nach sechs oder acht Stunden normal, 10 Stunden sehr gut und 12 Stunden oder gar mehr sensationell. Dies Beispiel gilt natürlich nur für den Standardhobel eines jeden. Um ein sehr gutes Ergebnis erzielen zu können, muß die Klinge schon scharf sein. Daß alles, war irgendwie hakt, reißt oder ziept das Kriterium Schärfe nicht erfüllt, versteht sich von selbst.
Der zweite Punkt ist die Sanftheit. Was nützt es, wenn es zwar eine glatte, also effektive Rasur gab, die Haut aber irritiert ist, spannt, oder vielleicht sogar brennt? Dann passt ja auch irgendetwas mit der Schärfe nicht. Soweit dürfte Klarheit herrschen.
Und der letzte Punkt bei der Klingenbeurteilung ist die Standhaftigkeit. Gelingt es mit einer Klinge drei, vier, fünf oder sechs Rasuren zu erreichen, die sowohl effektiv wie auch sanft waren? D.h. wie lange ist die Klinge in der Lage, die dafür notwendige Schärfe zu halten? Ist es möglich, auch bei der dritten Rasur mit der Klinge noch ein sehr gutes Ergebnis zu erzielen, oder ist bestenfalls noch eine durchschnittliche Rasur möglich?
Bei keinem dieser Kriterien liegt bei mir die Feather vorne. Die erste Rasur ist verdammt glatt, auch halbwegs sanft. Die zweite Rasur ist durchschnittlich glatt, aber nicht übermäßig sanft. Und die dritte Rasur ist in beiden Punkten unter dem, was andere Klingen nach drei Rasuren bieten.
Ich käme also nicht im Traum darauf, die Feather als ein Schärfewunder einzuschätzen, selbst bei der ersten Rasur nicht.
Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die Klingenhersteller in der Qualitätskontrolle die Schärfe bestimmen, vermute aber, daß man die Kraft mißt, die notwendig ist, um eine nach festgelegten Kriterien in eine Apparatur eingespannte Klinge um den Weg x in irgendeine standardisierte Masse (z.B. Papier) zu drücken. Wenig Kraft notwendig: scharfe Klinge, mehr aufzuwendende Kraft dann eine weniger scharfe Klinge.
Ich vermute aber, daß diese Ergebnisse etwas ganz anderes zeigen würden, als die Feather himmelhoch über allen anderen Klingen thronend.
Woher rührt also die universelle Foren-Weisheit, die Feather sei die schärfste der Scharfen?
Martin
-- Elbe |