Diskussionsnachricht 000021
25.10.2013, 00:24 Uhr
The American
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Der Duft des REBUL Lavanda EdC ist schnell beschrieben: kurze cologne-typische, alkoholisch-flüchtige Ouvertüre – danach eine wunderbare Lavendel-Sinfonie, die sanft und für ein EdC überraschend lange ausklingt. Kurz gesagt, die exakte Abbildung blühender Lavendelbüsche an einem Hochsommer-Tag in Grasse. Sein einziges Manko: Es ist und bleibt wie alle REBULS dieser Serie ein Eau de Cologne, dessen Halbwertzeit nie an die Ausdauer eines Eau de Toilettes heranreichen wird. Für einen erneuten Kick muss man halt noch mal nachlegen. Aber man zeige mir einen eingefleischten Lavendel-Fan, der bei rund 6 Euro für 270 ml (dies gilt übrigens für alle REBUL EdCs) lange überlegen würde. Natürlich, ehrlich, klassisch, pur – und daher gekauft.
Während die bedauernswerten Gäste des Hotels nebenan zu Beginn eines jeden Tages lautstark mit dem schönen Nana Mouskouri-Klassiker „Guten Morgen, Sonnenschein“ in Urlaubslaune versetzt werden sollen, übernimmt dies in meinem Fall REBUL Mandarine EdC sehr viel angenehmer und zuverlässiger. Das Stöffchen zaubert ein unbeschwert frisches, wenn auch vielleicht ein etwas feminin-lieblich geratenes Aroma auf die Haut und in die Luft. Eine meiner verflossenen Liebschaften benutzte ihrerzeit nach dem Duschen eine bestimmte Körpermilch aus dem Hause Biotherm (Lait Corporel). Nicht, dass ich dieser amourösen Episode meines Lebens nachtrauern würde, aber dieser pudrig-gepflegte „Frisch eingecremt“-Geruch aktiviert weitgehend dieselben Areale meines Riechkolbens und tut dies durchaus virtuos. Wenn ein Duft in der Lage wäre, ein fröhliches Liedchen vor sich hin zu pfeifen, dann wäre es dieser. Hm, also doch „Guten Morgen, Sonnenschein“ – allerdings aus der Flasche statt aus dem Lautsprecher. Herrje, jetzt geht’s offensichtlich nebenan mit Bingo los, um den Raki-Konsum anzukurbeln. Ist ja auch schon fast Mittag. Prostata!
Schenken wir uns daher als distinguiertes Kontrastprogramm ein Tässchen Tee ein. Während es sich bei der grünen Variante des Heißgetränks allerdings eher um eine geschmackliche Verlegenheitslösung handelt, die häufig im Rahmen einer Rekonvaleszenz oder textilen Handarbeit gereicht wird, bewegt sich REBUL Green Tea EdC mit seiner klaren Bergamott-Kopfnote eher im aristokratischen Umfeld eines Earl Grey. Dabei lässt es leider zunächst das typisch britische Understatement vermissen und betritt das adlige Parkett mit einem unstandesgemäßen Paukenschlag. Weniger wäre hier mehr gewesen – es empfiehlt sich also ein sparsames Auftragen. Der etwas großspurige Auftakt ist aber nach einigen Minuten wieder vergessen, wenn die Bediensteten den Ballsaal mit weißen Liliensträußen dekorieren – ebenfalls recht üppig, aber in diesen Kreisen hat man’s ja schließlich. Und am Ende des Abends läuten die männlichen Gäste dann im gediegenen, mit Zedern- und Sandelholzduft geschwängertem Rauchersalon die Basisnote ein. Insgesamt eine so ungewöhnliche wie polarisierende Komposition mit einer erstaunlichen Bandbreite: The Queen would be amused.
REBUL Fig Blossom EdC. Mir fehlen die Worte. Nicht vor Begeisterung, Erstaunen oder Entsetzen – ich bin schlicht und einfach ratlos, weil ich beim besten Willen keine Parallelen mit mir bekannten Aromen herstellen kann. Fest steht nur, dass ich schon Schwierigkeiten beim Abrufen des Geruchs einer Feige habe. Wie nun aber deren Blüte riechen mag, muss ich wohl der Firma REBUL überlassen. Tue ich aber nicht. Denn die Duftbeschreibung auf der Packung mutet schon irgendwie suspekt an:
- zitrische Kopfnote mit Bergamotte (im Unterschied zum Green Tea nicht wirklich identifizierbar)
- Herznote: „green accords“ (was auch immer das heißen mag) mit „weißen Blumen“ (ok, etwas in Richtung Lilie kann vielleicht angehen)
- Basisnote: „reich, berauschend, exotisch-orientalisch, holzig“ – na ja. Berauschend ist allenfalls die Anstrengung, eine Komposition zu beschreiben, von dem offensichtlich noch nicht einmal der Hersteller selbst genau weiß, was er davon halten soll.
Darüber hinaus sollte eine „süß-milchige und weiß-pudrige Textur“ vorliegen – der arme Werbetexter-Kollege tut mir leid. Ich kenne solche Aufträge und Briefings. Ich nenne sie Bullshit-Bingo: Wer dem Kunden die erste konkrete Aussage aus dem Kreuz leiern kann, hat gewonnen. Moment mal... „transparent musk“? Genau, da haben wir’s: Moschus! Das Breitband-Antibiotikum unter den Düften, das keine Götter neben sich haben darf. Das erklärt vieles. Beispielsweise das leichte Wummern oberhalb der Nasenwurzel. Oder die Tatsache, dass sich die bleischwere, beinahe synthetisch wirkende Süße standhaft weigert, sich in irgendeiner Art weiterzuentwickeln. Ein Duft wie eine Wand. So muss es in chinesischen Opiumhöhlen gerochen haben, kurz bevor das große Vergessen einsetzt. Nicht auszudenken, wenn ich damit im Büro auftauche. Die Kollegen würden mich aufgrund von Arbeitskraftzersetzung verklagen oder zumindest übelst mobben. Wieso habe ich diese REBUL-Version gleich noch mal gekauft? Ich erinnere mich nicht mehr – das große Vergessen...
Ich muss noch kurz diejenigen Varianten erwähnen, die nicht in meinem Einkaufskorb gelandet sind und aus welchem Grund. REBUL Jasmin EdC – ja, ganz klar Jasmin, viel Jasmin, Unmengen von Jasmin. Ich HASSE Jasmin. Und ganz eindeutig hasst Jasmin mich auch. Wenn die britische Schauspielerin Emily Blunt – und wer sie kennt, wird vielleicht nachvollziehen können, dass ich total auf sie stehe – wenn also Emily Blunt mir sexuelle Avancen machen und dabei nach Jasmin riechen würde, ich würde sie aus reinem Überlebenstrieb mit einem Besenstiel auf Distanz halten müssen.
REBUL Lime EdC. Ein simples Zitronen-Colonya wird auch dadurch nicht exklusiver, dass man es in Glas statt Plastik füllt, es Lime statt Zitrone nennt und seinen Preis vervierfacht. Tut mir leid, Reisender, ich weiß, Du magst es – aber in diesem Fall: Let’s agree to disagree. Bei Zitronen-Sucht greif ich lieber zum Selin.
Und schließlich REBUL Ice EdC: Als der REBUL-Parfümeur eines Tages nach einer wild durchzechten Nacht bis über beide Nasenflügel verkatert zur Arbeit erschien, entstand der einzig wirkliche Totalausfall der 1895er Serie. Mit verquollenen Augen muss er seinen Laborassistenten gebeten haben: „Hey, Yilmaz, tu mir einen Gefallen und hau bitte mal ’ne Davidoff Cool Water-Kopie zusammen, ok? Und jetzt güle güle, ich muss dringend ins Bett.“ Yilmaz tat sein Möglichstes und erschuf damit den kläglichen Versuch, den Geschmack einer fremdgesteuerten Mainstream-Kundschaft treffen zu wollen, die ohnehin niemals zu REBUL greifen würde. Sei’s drum, wir sind alle nur Menschen.
Nebenan trinkt sich immer noch ein Rudel Heimatvertriebener die nötige Kondition für Frau Mouskouris unvermeidliches musikalisches Morgenständchen an, das in exakt neun Stunden wieder über sie hereinbrechen wird. Am Sonntag geht’s jedenfalls für mich wieder heimwärts. Ich freue mich auf die verregnete, rheinische Stille. Auf Restaurants, zu deren Besuch man nicht animiert werden muss. Und ich freue mich schon auf meinen nächsten Urlaub, der mich mit Sicherheit an ruhigere, authentischere Orte voller Einheimischer führen wird, die hoffentlich kein Wort Deutsch sprechen. Rimini oder Benidorm zum Beispiel sollen ja auch sehr schön sein...
-- The American Diese Nachricht wurde am 25.10.2013 um 00:47 Uhr von The American editiert. |