Diskussionsnachricht 000000
30.06.2014, 21:20 Uhr
noir
registriertes Mitglied
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Immer wieder lassen sich so grausame Vorurteile über Rasierhardware, verstreut in allen möglichen Threads lesen. Meistens sind es Einsteiger, die vermutlich durch ihre anfänglichen Suchen im Forum auf immer wieder dieselben Beiträge stoßen, die einige Unwahrheiten verbreiten. Ein solcher Einsteiger ist durch diese Art der Beiträge völlig verunsichert und angsterfüllt, sobald er bspw. ein Bild der Feather-Klingen sieht.
Ich habe mir damals auch lange Zeit einiges im Forum durchgelesen bevor ich hier aktiv wurde. Daher kenne ich diese Einsteiger-Suchanfragen-Resultate ganz gut. Wenn man dann die Inhalte alter Threads mit den Meinungen aktueller Beiträge vergleicht, lassen sich schnell Diskrepanzen konstatieren und die totale Verwirrung ist perfekt.
In diesem Faden sollten nach Möglichkeit die Mythen und sagenumwobenen Legenden aufgezeigt werden und wenn nötig richtiggestellt werden. Natürlich ist das Rasurgeschäft sehr subjektiv und die eine oder andere Diskussion könnte entstehen. Diese Diskussionen sind das eigentlich Nützliche, von daher bitte ich drum, schreibt was das Zeug hält
Der Hobelkopf
Es gibt einige Variationen, letztlich lassen sie sich durch 4 Gruppen beschreiben:
- Die geschlossene Schaumkante (closed-comb)(CC)
- Der Zahnkamm (open comb)(OC)
- Der Torsionshobel (Slant Bar)
- Der Schrägschnittkopf
Wenn jemandem noch eine Art Kopf einfällt, die ich nicht aufgelistet habe, bitte melden.
Die geschlossene Schaumkante ist dabei die am häufigsten empfohlene Hobelart für Einsteiger. Letztlich liegt es wohl daran, dass sich Einsteiger, sofern die denn bereits Nassrasierer sind, nur die Systemrasierer kennen und das Bild eines Zahnkammes für die Leute zu verschreckend sein muss. Anders kann ich es mir nicht erklären. Wie dem auch sei, tatsächlich ist es so, dass die geschlossenen Köpfe von Merkur oder auch Mühle große Zufriedenheit bei Einsteigern und Routiniers gleichermaßen erzeugen. Sie sind sanfte Vertreter und bieten akzeptable Gründlichkeit. Daher kann ich persönlich dieser Legende insofern zustimmen.
Bei dem vorherrschenden Mythos, ein jeder Zahnkamm sei auch immer aggressiv, kann ich absolut nicht zustimmen. Ich weiß nicht, wieso sowas immer wieder behauptet wird, aber es ist völlig sinnbefreit. Ein Merkur Zahnkamm ist mit das Sanfteste, mit dem man sich in der Hobelwelt rasieren kann. Der Zahnkamm von G&F (Giesen & Forsthoff) wird ebenfalls als überdurchschnittlich gründlich bei herausragender Sanftheit beschrieben. Eine Erfahrung die ich mal machte war, dass bei längeren Barthaaren ein Zahnkamm etwas besser durchkommt, als bspw. ein geschlossener Merkur. Wenn man schon von Zahnkämmen spricht, muss man einfach auch den Mühle R41 erwähnen. Dieser Hobel könnte ebenso gut eine geschlossene Schaumkante und Stützräder haben, er wäre immer noch furchtbar bissig. Natürlich ist das meine Meinung, aber ich denke die Aussage, dass der R41 ein ultra-gründlicher, aber eben auch ziemlich aggressiver Rasierhobel ist, trifft i.A. auf Zustimmung. Also, bis auf den R41 kann man m.M.n. nicht pauschalisieren, dass ein Zahnkammhobel aggressiv oder einsteigeruntauglich ist.
Der Torsionshobel wird auch immer wieder als aggressives, extrem gefährliches und absolut nur von auserwählten Profis beherrschbares Rasiergerät beschrieben. Warum?
Ich kann es einfach nicht verstehen. Natürlich ist der Gedanke an eine verdrehte DE-Klinge, die über die Haut gezogen wird etwas seltsam, wenn man bisher nur sicherverpackte Systemrasiererklingen kannte, in meinen Augen jedoch unberechtigt. Auch hier berufe ich mich auf ein Merkurprodukt, den 39C. Mit diesem Hobel habe ich bisher den meisten Spaß gehabt. Während und noch lange Zeit nach der ersten Rasur mit diesem Torsionshobel war ich entsetzt, von der Gründlichkeit und Sanftheit dieses Gerätes. Eine Eigenheit erlaubt der Merkur Torsionskopf sich allerdings schon, nämlich sollte auf die Ausrichtung der Klinge (parallel zum Deckel) im Hobel geachtet werden. Dann wird die Rasur ein echter Spaß.
Zu den Schrägschnitthobeln kann ich leider keine Aussage machen, da ich so ein Exemplar nicht mein Eigen nennen kann. Jedoch kann ich sagen, dass ein Torsionshobel und Schrägschnitthobel nicht dasselbe sind. Ein Torsionshobel verdreht die Klinge um eine Achse. Ein Schrägschnitthobel hat einen diagonal ausgerichteten Kopf, in dem die Klinge dann schräg zur Rasurrichtung geführt wird.
Hobelmechanik
Auch hier lassen sich Gruppen definieren:
- Drei-Teiler
- Zwei-Teiler
- Butterfly, Twist to open (TTO)
- Einstellbarer Hobel, Adjustable
Hier werden auch gelegentlich Gerüchte in die Welt gesetzt, in denen es heißt, dass die Mechanik des Kopfes irgendwie Einfluss auf die Rasierqualität des Gerätes nimmt. Ein entschiedenes Nein von mir! Die Mechanik bzw. der Aufbau des Hobel ist für die Qualität einer Rasur völlig belanglos. Lediglich bei der Reinigung und Instandhaltung sehe ich klare Vorteile für den 3-Teiler. Der 2-Teiler ist, je nach Modell etwas umständlicher zu Reinigen und die filigrane Mechanik eine Butterflyhobels möchte auch gelegentlich mal geschmiert werden. Aber ich sehe das nicht so eng, es sind letztlich immer noch Gebrauchsgegenstände. Beim Klingentausch gewinnt in Sachen Komfort der Butterflyhobel gefolgt vom 2-Teiler und 3-Teiler. Auch hier ist es Geschmackssache und kein Gesetz.
Dass ein Adjustable-Hobel irgendwie impliziert er sei nur für absolute Profis zu gebrauchen ist auch so ein Gerücht, dass eigentlich ausgerottet werden sollte. Genügend haben mit einem Adjustable angefangen und stellt euch vor, sie leben noch und noch schlimmer: Sie rasieren noch immer! Natürlich kann man einen Adjustable auf Bissigkeit trimmen, aber wer macht das schon, wenn er nicht muss? Ich denke, da ist der Intellekt des Nutzers gefordert, zu erkennen, dass man mit einer anfangs eher sanfteren Einstellung loslegt. Der riesen Vorteil dieser Hobel ist, dass man sie individuell für den jeweiligen Durchgang (mit-quer-gegen) einstellen kann und somit die Sanftheit selbst bestimmen kann.
Ergänzende Punkte
Wirklich wichtig für die Aggressivität, Gründlichkeit und Nachhaltigkeit eines Hobels sind meiner Meinung nach der Klingenspalt, Winkel der Klinge, Schärfe der Klinge, Druck auf den Hobel und ganz wichtig die Rasiertechnik des Nutzers. Was bringt einem der sanfteste Hobel, wenn man sich nie die Zeit genommen hat die richtige Rasiertechnik auszuloten? Eben, gar nichts. Essentiell für die schonende Rasur ist also die Technik, das muss man einem Einsteiger immer wieder verdeutlichen. Bei der Hobelrasur muss man sich nun mal umstellen und die Erfahrung kommt mit der Zeit. Wichtig ist, dass der Hobel stets im richtigen Winkel, ohne Druck über die Haut geführt wird. Allein wenn man das beherrscht, kann man mit dem Großteil der verfügbaren Rasierhobel sanfte Rasuren hinlegen. Hier und da mal die Haut etwas mit der freien Hand zu straffen kann auch nicht schaden. Die Klinge sollte stets scharf sein. Mit DE-Klingen Standzeitweltrekorde aufzustellen ist aus ökologischer und - wenn auch lächerlich schwinden klein - ökonomischer Sicht ganz nobel, aber für das Wohlbefinden der Haut einfach nur Kokolores. Die Klinge muss scharf sein, wenn sie das nach einer Rasur nicht mehr ist, dann wird sie entsorgt und ersetzt, so einfach ist das. Ebenso wichtig ist, dass die Klinge eine homogene Schneide aufweist. Ist dies nicht der Fall ist meistens die erste Rasur etwas ruppiger, dafür die zweite sehr viel sanfter. Das habe ich bisher selbst erlebt mit Derby- und ganz leicht bei den Isana-Klingen. Recht interessante Methoden dies zu umgehen nennen sich „Korken“ oder auch ein Handballenabzug wird empfohlen. Das sind sicherlich gerechtfertigte Methoden, wobei das Korken von DE Klingen teilweise etwas kontrovers diskutiert wurde/wird. Ich halte es da einfacher: Vorzugsweise benutze ich Klingen, die schon bei der ersten Rasur sanft zur Sache gehen und daher keinen Korken fürchten lernen müssen. Hier überlasse ich gerne anderen das Wort.
-- Löppt! Diese Nachricht wurde am 30.06.2014 um 21:30 Uhr von noir editiert. |