Diskussionsnachricht 000014
24.02.2017, 17:33 Uhr
El Gringo
registriertes Mitglied
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Borsif schrieb:
Zitat: | Rasiermesser Schärfen in Geschäften (Scheren- / Messerschleifer / ich denke auch Rasiermessershops) ruinieren das Messer zu 99,99% Wahrscheinlichkeit
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Mit Verlaub, aber das ist grober Unfug, den man so einfach nicht stehenlassen kann! In der goldenen Ära des Rasiermessers wurden diese nur in den seltensten Fällen selbst geschärft, sondern in die gewerbliche Schleiferei gebracht. Wilkie Collins (1824-1889) beschreibt in einem seiner Bücher sehr genau, wie das damals in good old England gehalten wurde, als die Männer auf den Jahrmärkten ihre Messer bei den fahrenden Schleifern auf "grinding machines" schärfen ließen. Nicht anders verhielt es sich im Deutschen Kaiserreich, als - wie beim ostpreußischen Schriftsteller Ernst Wichert (1831-1902)nachzulesen ist - "...auf den Ross- und Viehmärkten die Männer mit ihren Rasiermessern bei den Schleifern Schlange standen..." Folgte man deiner Theorie (Behauptung), so hätten sich damals im Umkehrschluss 99,99 Prozent der Männer mit "ruinierten Messern" rasiert, was wohl kaum der Fall gewesen sein dürfte...Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und vor ein paar Jahren je ein Messer bei den nachfolgend angeführten (alteingesessenen) Schleifereien schärfen lassen:
1. Werner Lehmann in Berlin
www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-messerkunst-der-schle...
2. Firma Lorenzi in Wien
lorenzi.co.at/
3. Shannon Falkner in Dublin, der als kleiner Handwerksmeister leider keine Homepage hat.
Ergebnis: Ich bekam jedes Messer hervorragend geschärft zurück! Da ich seit über 40 Jahren meine Messer selbst schärfe, meine ich für mich in Anspruch nehmen zu dürfen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, ein ruiniertes Messer von einem exzellent geschärften unterscheiden zu können. Also erzähl hier bitte keine Märchen!
Zitat: | Und zu der Schärfe: Das Messer darf nicht herumsägen und / oder Bartstoppeln zurücklassen. Es muss mit NULL DRUCK auf deiner Backe entlang gleitend alles pieksfrei mitnehmen.
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Das ist die Beschreibung des IDEAL-, nicht jedoch des NORMAL-Zustandes! Und zwar eines Ideals, wie es in unseren Tagen erhoben wird, das in der Vergangenheit so jedoch völlig unbekannt war. Ich habe die Messerrasur im Jahr 1968 von meinem Großvater und mit dessen Messern erlernt - allesamt alte, derbe Sheffielder und Solinger -, die weit davon entfernt waren, dem zu entsprechen, was du hier als Standard definierst! Bekämen die ganzen Messer-Newbies hier ein solches "Beil" in die Hand, sie würden es als "stumpfe Säge" einstufen und unverzüglich zu Bartisto & Co zum Schärfen geben, während sie mich die Freude an der Messerrasur lehrten... Tempora mutantur! Denn die so genannte "Liebhaberschärfe" (für mich übrigens reinster Hokuspokus) war damals unbekannt! Oder glaubst du etwa, ein Barbier oder Friseur hätte damals ein halbes Dutzend Steine, unzählige Pastenriemen und dazu noch eine Lupe oder gar ein Mikroskop in seinem Laden gehabt, um seine Messer solcherart auf einem Level zu schärfen, wie er heutzutage durch Zuhilfenahme all dieses Equipments von Schärf-Freaks (oder Gurus, wenn dir dieser Ausdruck besser gefällt) erzielt werden kann?! Nonsens! Bei all dem, was hier diesbezüglich abgeht, kann ich mich als alter Messerer zuweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass da Weichgesichter auf ganzer Kerl machen wollen, wenn sie zum Messer greifen, und dann ganz enttäuscht sind, wenn sie sich mit diesen nicht so supersanft glattrasieren können wie ihre Partnerinnen mit der Gillette-Venus im Intimbereich...
Ich wünsche viele druck- und pieksfreie Rasuren mit auf "Liebhaberschärfe" gebrachten Messern, was immer man darunter auch verstehen mag.... |