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NassRasur.com-Forum » Rasiermesser und Zubehör » Cast-Steel Rasiermesser » Themenansicht

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Autor Thread - Seiten: -1- [ 2 ]
Diskussionsnachricht 000000
05.04.2007, 18:57 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


Iltis hat liebenswerter Weise einige Nachforschungen zum Thema

CAST-STEEL

angestellt.

Momentan tauchen hier ja des öfteren Cast-Steel Messer, vornehmlich aus dem Hause BENGALL, auf.
Daher dachte ich mal einen neuen Thread zum Thema zu eröffnen.

Folgender Beitrag/Zitatantwort ist von ILTIS (keine Ahnung wie ich den sonst hätte verschieben können )



Bengall Reynolds schrieb:

Könntest Du auch bitte mal was über "Cast-Steel"-Eigenschaften schreiben? Gibt es da Auffälligkeiten gegenüber anderen Rasiermessern wie bsplswse Deinem Uhlendahl oder dem Revisor?
Ich dachte bisher eigentlich das man Cast-Steel mit Gusseisen übersetzen würde und das Gusseisen für ein Messer oder gar Rasiermesser nicht so der Bringer wäre?!?!?

Hallo Bengall
Habe ein Bisschen nach Cast Steel geguckt und folgendes herausgefunden:
Cast Steel ist ein anderen Begriff für was sonst "Crucible Steel" genannt wird. Crucible Steel wurde 1740 von ein Uhrmacher namens Huntsman in Sheffield entwickelt, um bessere Uhrenspirale herstellen zu können. Dieses Prozess ermöglichte es zum ersten Mal qualitativ hochwertige Stahl in industrielle Mengen herzustellen, und das Zeug war Europaweit ganz gefragt, bis das Crucible Steel- durch das Bessemer-Prozess in 1855 überholt wurde. Die Chronologie nach könnten nur die Bengalls von 1748 bis 1855 wirklich aus diese "Cast Steel" gewesen sein, es sei den, das die Herren Cadman ein Stahlhersteller überreden könnte eine altmodische Herstellungstechnik weiter zu betreiben, was ich mir schwer vorstellen kann. Ich denke, das "Cast Steel" nicht so viel zu sagen hat, damals waren die Verbraucherschutzgesetze etwas lockere wie Heute. Zweifellos bleibt, das die Bengalls aus einen sehr guten Stahl sind (habe inzwischen 2 Stück davon). Wem es interessiert, Hier meine Quellen:

metals.about.com/library/bldef-Cast-Steel.htm
www.tilthammer.com/timeworks/steel.html
www.knifecenter.com/knifecenter/dovo/straightrazorsinfo.html
en.wikipedia.org/wiki/Crucible_steel

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000001
05.04.2007, 18:57 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


Hi Iltis,

danke für Deine Nachforschungen!

Den Link über Thiers Issard Messer habe ich zwar nicht gelesen aber ich glaube sowieso das alles über Pierre Thier´s Schmiedetechnik letztendlich der Sage vom "Balmung" gleich kommt.
TI Messer mögen ja sehr sehr gut sein, sind aber letzlich auch nur aus Stahl und zwar aus englischem.

Zurück zum Cast-Steel:
Mein Englisch ist nicht mehr das beste aber so wie ich es verstanden habe, war das Verfahren zum Cruciable Steel deshalb ein Durchbruch, weil es eine relativ zuverlässige und gleichbleibende Qualtität bei großen Produktionsmengen gewährleistete?

Gewisse weitere Bearbeitungsschritte vorausgesetzt, mag das "alte" Zeug tatsächlich auch als Klingenstahl taugen?
Heute werden Klingenrohlinge ja sowieso nur noch gestanzt oder gegossen.

Bei dem alten Cast-Steel habe ich aber immer noch starke Vorbehalte. kann mich aber nur auf mein eigenes, gefährliches HAlbwissen berufen:

- es rostet schneller als man es ölen oder fetten kann
- kurioser Weise neigt es zu Lufteinschlüssen obwohl man davon ausgehen kann das es auch gehämmert oder gewalzt wurde
- einmal richtig ausgekühlt wurde dieser Stahl so hart, dass er sehr schwer weiter zu verarbeiten ist.
- Cast-Steel neigt dazu zu brechen und nicht dazu sich zu verbiegen.
- Cast-Steel in entgültiger Verarbeitungsform ist in keinster Weise flexibel und lässt sich schlecht bearbeiten oder schweissen.
- Cast-Steel rostet (vielleicht wg evtller Lufteinschlüsse?) nach innen hinein und bildet Rosthöhlen.
- Cast-Steel im allgemeinen wurde für Massenproduktion (also richtige "MASSENPRODUKTION") entwickelt, also auch nur angekocht und gegossen wenn entsprechende Massen davon abzusetzen waren.


So, mehr fällt mir momentan nicht ein zu dem Thema.
Würde mich aber freuen, wenn der ein oder andere vielleicht etwas ergänzendes/korrigierendes beitragen könnte!?!

Zum Schluss noch die Frage:
"Warum hat sich Cast-Steel in der Rasiermesserproduktion nicht durchgesetzt bzw warum kenne ich kaum (namentlich im Augenblick nicht einen) andere Hersteller die Rasiermesser zu der Zeit aus Cast-Steel gefertigt haben?"

Gruß

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000002
06.04.2007, 08:07 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


Hallo!

Bin eigentlich ein Neuling hier, nur seit 3 Monaten Messerrasierer und die Messerrasur gelingt mir, hauptsächlich dank diesen Forums, jetzt ganz gut. Ich freue mich sehr, dass jetzt etwas aufgekommen ist, wo ich auch was beitragen kann:

(wenn jemand sich über mein komisches Deutsch bewundert - ich komme aus Estland)

Folgende aus dem Buch

Die Kunst des Messerschmiedes oder gründliche Anweisung,alle Arten schneidende Instrumente, den heutigen Anforderungen entsprechend, zu schmieden, zu schleifen, abzuziehen, zu polieren und mit den einfachsten, wie mit den elegantesten Schalen, Heften oder Griffen zu versehen, nebst nützlichen Notizen über die Erzeugung der verschiedenen Stahlsorten und Stahllegirungen, so wie über die Behandlung derselbenn im Feuer und beim Härten, und endlich über die Darstellung der feinsten Polierpulver; aus längjähriger praktischer Anschauung geschöpft von M.H. Landrin, Civilingeneur und Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften.

Frei aus französischen übersetzt von Dr. H. Leng und nach dessen Tode beendet und herausgegeben von Dr. H. Schmidt.

Mit 9 Steindrucktafeln, Weimar, 1836.

Facsimile 2000, ISBN:3887464133, scheint leider voll ausverkauft zu sein. Auch keine in Abebooks angeboten.

(Eine Suche hier im Forumsarchiv hat ergeben dass wenigstens herr Kormann diesen Buch hat oder kennt.)


§. 3.
Vom Gußstahl.

Eine innige Verbindung kann, wie wir schon früher bemerkten, nur dann stattfinden, wenn sich die Körper in füssigen Zustande vereinigten, und der Cementstahl, welcher fast nur an der Oberfläche von dem Kohlenstoff durchdrungen ist, wird leicht entkohlt, wenn man ihn wiederholt erhitzt, in dem Gußstahl dagegen, welcher durch eine Schmelzung ohne Zutritt (Seite 77) der Luft erzeugt wird, verbreitet sich der Kohlenstoff gleichmäßig in der ganzen Masse, die dann durch und durch aus gleichartigem Stahl besteht.

Die Indier verfertigen schon seit mehreren Jahrhunderten Gußstahl, aber in Europa stellt man ihn erst seit kurzer Zeit dar; die Engländer stellten 1750 ihre ersten Versuche in dieser Art an,machten aber ein Geheimniß daraus, und in Frankreich wurde erst 1788 von den C l o u e t und C h a l u t Gußstahl aus Schmiedeeisen verfertigt.

Man erhält den Gußstahl durch Umschmelzen des Cementstahls in verschlossenen Tiegeln, welche man gewöhnlich in starkziehenden Flammöfen aufstellt; die Hitze ist dabei weit stärker, als bei der Schmelzen des Roheisens, weil der Stahl eine größere Quantität
Wärmestoff aufnehmen kann; man nimmt jedoch dieses Umschmelzen auch in Oefen mit Gebläsen vor. In jedem Falle muß man das Brennmaterial anwenden, welches die meiste Hitze gibt, und in dieser Hinsicht sind die Coaks vorzüglich zu empfehlen.

Die zum Schmelzen des Stahls erforderliche Hitze beträgt 130 bis 138 Grad nach dem Pyrometer (Jacobvs: 1436º bis 1493º C, zu hoch eingeschätzt, wirklich um 1200-1300º); es versteht sich, daß man nur allmählig bis zu dieser hohen Temperatur steigt.Man erhält das Metall einige Minuten lang in vollem Fluß, ehe man zum Guß schreitet, und erst dann werden die Luftzüge verschlossen.

Die Tiegel, welche man zum Stahlschmelzen anwendet, müssen eine starke Hitze, ohne zu springen, aushalten und den Uebergang aus einer hohen Temperatur in eine niedrige ohne Nachtheil ertragen. Die Graphittiegel entsprechen diesen Bedingungen sehr gut, aber sie sind
sehr theuer, man bedient sich deshalb gewöhnlich der Tiegel aus feuerfesten Thon, welchen man mit Sand vermischt und sorgfältig brennt. In England bedient man sich der sogenannten Ipsertiegel.(Seite 78) Die Tiegel enthalten gewöhnlich 30 bis 40 Pfund, und man bringt nur einen
Tiegel auf einmal in den Ofen, damit man ihn ganz mit Kohlen umgeben und die Hitze um so mehr concentriren kann.

Man umgibt das Metall mit einem Pulver, welches die atmosphärische Luft abhält und welches dem Stahl keinen Kohlenstoff entziehen darf, das ihm jedoch keine fremdartigen Stoffe mittheilen darf. Man machte sonst ein großes Geheimniß aus der Zusammensetzung
dieses Pulvers, jetzt weiß man, daß es am besten aus feingestoßenem Glas und etwas Borax besteht. Es hat übrigens keinen anderen Zweck, als den Stahl gegen äußere Einflüße zu schützen, und wenn der Tiegel völlig luftdicht verschlossen ist, so kann man das Glaspulver ganz weglassen. Man darf nicht glauben, das die zur Glaserzeugung dienenden Materialien
eben so gut zu diesem Zweck, als das Glas selbst wären, denn sie sollen den Stahl spröde machen.

In England zerschlägt man den Cementstahl in kleine Stücken, bringt ihn 16 bis 18 Zoll tiefe, 5 Zoll im Durchmesser haltende Tiegel, welche von 40 Pfund geschmolzenen Stahl etwas über die Hälfte angefüllt werden, aber nur dreimal gebraucht werden können. Der Tiegel wird mit einem Deckel aus gebrannten Thon verschlossen und in einen Zugofen gebracht, welcher 2 Fuß tief und 1 Fuß oder 14 Zoll breit ist; das Gewölbe des Ofens besteht aus Ziegelsteinen, welche durch eiserne Rahmen in ihrer Lage erhalten werden, und mehrere solcher Oefen haben eine gemeinschaftliche Esse und einen gemeinschaftlichen Aschenfall.

Der Stahl wird in schmiedeeiserne Formen gegossen, welche 4- oder 8kantig sind, wodurch man Stäbe von derselben Form erhält. Um die Dichtheit der Stahlstäbe zu vermehren, hält man die Form während (Seite 79) des Gusses senkrecht und belastet sie dann mit einem eisernen Gewichte.



Alles Gute

Jacobvs

Diese Nachricht wurde am 06.04.2007 um 08:09 Uhr von Jacobvs editiert.
 
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Diskussionsnachricht 000003
06.04.2007, 20:58 Uhr
~Senser
Gast


@ Jacobvs
Hallo Jakob
Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich hoffe, wir bekommen jetzt häufiger eine Leseprobe aus diesem Buch. Interessant wären auch die oben erwähnten Themen schleifen und polieren.
Gruß, Senser

Diese Nachricht wurde am 06.04.2007 um 20:59 Uhr von Senser editiert.
 
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Diskussionsnachricht 000004
07.04.2007, 09:41 Uhr
~UbuRoy
Gast


Hmm, Rasiermesser aus Gussstahl zu machen, dürfte eigentlich unmöglich sein. Macht auch keinerlei Sinn.

Viel zu Kohlenstoffhaltig und inhomogen und nicht schmiedbar! Messer wären spröder als Glas und mindestens so schwer zu schaerfen ;-)

Dieser Crucible Steel für Uhrenunruhen hört sich eher nach einem Vorläufer des Federstahls an.
Aus DEM würde es sicher auch erstklassige und flexible Rasiermesser geben. Besonders schneidhaltig wären sie sicher nicht, aber mit ein wenig filigraner Vergütungsarbeit...wer weiss... Hab ich bisher aber nicht gehört, das sowas gemacht wurde, muss extrem schwierig sein.

Dieser Cast Stahl hört sich an nach einem typischen, schnell und einfach in gleichmäßiger, jedoch schlechter Qualität, billig herzustellenden Massenstahl.
Gewöhnlich kurz vor Kriegseintritten usw. gibt es solche quantitativen Sprüngen in der Massenherstellung. Meist grauenhafte Qualität, aber für Kriegszwecke ausreichend...

Gabs auch in Japan beispielsweise kurz vor dem WWII, als Katanas maschinell in wirklich extrem mieser Qualität zusammengeschwartet wurden...

Diese Nachricht wurde am 07.04.2007 um 09:50 Uhr von UbuRoy editiert.
 
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Diskussionsnachricht 000005
07.04.2007, 13:40 Uhr
~Iltis
Gast


@ Uburoy: ich denke, wir haben hier mit ein semantisches Problem hier zu tun. In englisch, soweit ich es nachlesen kann, sind Crucible Steel und Cast Steel austauschbare Begriffe für ein und dasselbe (ein Gemisch aus Blister Steel was ich hoffe, gleich Cementstahl ist, bin mir aber nicht ganz sicher, und Schmiedeeisen). Der Gußstahl nach Landrin ist nur umgeschmolzenen Blister Steel, und obwohl man es nur als "Cast Steel" übersetzen kann, ist es eine ganz anderes Material, womöglich mit die Eigenschaften das du beschrieben hast. Allerdings, bis die Industrialisierung der Metallverarbeitung, war die einzige Möglichkeit aus Gußeisen (englisch Pig Iron, nicht Cast Iron) Schmiedeeisen oder Stahl herzustellen das Zeug so heiss wie möglich zu machen und unendlich darauf zu hauen bis man die überflüssige Kohlenstoff rausgeklopft bzw.wegoxidiert hat (Diese Beschreibung ist sicherlich sehr mangelhaft, es basiert auf Sachen die ich vor ca 20 Jahren wärend mein Archäologiestudiums gelesen habe, leider habe ich kein Zugriff mehr dazu). Von daher wäre es auch möglich, wenn man sich dumm und dämlich kloppft, aus Gußstahl rasiertaugliches Stahl zu machen, es bleibt nur die Frage ob es Sinn macht; wenn kein besseres Material vorliegt (die Engländer haben ihr Geheimrezept für sich behalten und verkaufen das Zeug nur sehr teuer) und es besser geht als wenn man mit "Pig Iron" als Ausgangsmaterial dann macht es Sinn. Ob das der Fall war, weiss ich nicht.
Übrigens, ich habe mir noch ein Bengall aus der Bucht geangelt, der mir gar nicht scharf werden will - sicherlich mache ich was falsch. Wenn einer von uns in Grossraum Stuttgart/Ludwigsburg/Pforzheim/Heilbronn wohnt und mir auf der richtigen Weg verhilfen könnte, wäre ich mehr als dankbar.

Iltis
 
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Diskussionsnachricht 000006
07.04.2007, 13:50 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


Hi Iltis,

ist es auch ein Cast-Steel Bengall?
Die Dinger schiessen plötzlich wie Pilze aus dem Boden?!?!

Bescheidene Frage nebenbei:

Bevor Du das Bengall jemandem zum shärfen/aufarbeiten schickst, würde es Dir was ausmachen es mir mal zu schicken?
Porto usw trage ich selbstverständlich und schicke es Dir natürlich auch umgehend wieder zurück.
Ich würde es gerne mal unter die Lupe nehmen und auch zum Schleifermeister meines Vertrauens schleppen.
Mal sehen was der dazu sagt und ob meine eigenen Vermutungen bestätigt werden.

Wenn Du Interesse hast bitte schick mir ne PM.

Gruß

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000007
07.04.2007, 14:21 Uhr
~Iltis
Gast


@ Bengall
Mail unterwegs.
 
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Diskussionsnachricht 000008
07.04.2007, 15:38 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


@senser
Danke! Ja sicher kann ich das tun!

@Iltis & UbuRoy

Die Gussstahl von Heute und von 1836 sind ja ganz verschiedene Sachen! Dieses Tiegel-Stahl-Verfahren war überhaupt einzige, womit man damals hochwertigen Stahl produzieren könnte.

Damals (vor Bessemer-Verfahren) gab es folgende Eisen- und Stahlsorten :

Schmiedeeisen (wrought iron):bis 0,1 % Kohlenstoff, Schlackenanteil 4-2%, darum weich, gut schmied- und schweissbar - gibt's heute fast gar nicht, solange man dass nicht selber herstellt

Gusseisen (cast iron) - 2 und mehr % Kohlenstoff, kristallisches Struktur (Graphitgitter), schmilzt schon bei etwa 1150 Grad, nicht oder schwierig schmiedbar, aber giessbar.

Brennstahl oder Cementierter Stahl (blister steel): dünne Stäbe von Schmiedeeisen wurden mit Kohlenpulver in die luftdichte Kisten aus Gusseisen oder hitzefesten Sandstein gelegt und dann in einer Flammofen einige Tage bei etwa 900 Grad gehalten. Das Kohlenstoff drang in das Eisen ein (0,5 mm tief per einer Stunde) und verwandelte es ins Stahl. Doch meistens wurden die Stäbe nur oberflächlich "verkohlt" - aussen hart, innen weich.

Rohstahl - Gusseisen wurde in einer "Rafinierofen" geschmolzen, und dann umgerührt (Puddelverfahren) bis genug Kohlenstoff ausgebrannt war und es fest wurde. Manchmal war das Ergebnis Schmiedeeisen, manchmal heterogener Stahl, meistens aber bestand das "Stück" aus Eisen und Stahl. Die versuchte man dann erkennen un voneinander schneiden.

Gegerbter Stahl (shear steel) - mehrere Stäbe von verschiedener Kohlenstoffgehalt (Schmiedeeisen, Brennstahl,Rohstahl oder was man gerade sonst hatte) wurden unter Hammer zusammengeschweisst, gefalten un wieder zusammengeschweisst. So erhielt man einen Stab, der aus Lagen härteren und weicheren Material bestand - dieser gegerbter "Stahl" war "handelsübliche" Werkzeugmaterial in Europa vor Bessemer.

Gussstahl - Verfahren siehe oben - dass war das einzige Stahl, das damals in seiner Kohlenstoffgehalt homogen war, und mehr als 0,8 % Kohlenstoff enthielt. Das war der "Super-High-Tech Material", wovon die besten Werkzeuge, Chirurgische Instrumente und Rasiermesser hergestellt wurden. Das Verfahren bot für einen Instrumentenmacher eine Möglichkeit vor, selber hochwertiges Material für seine Instrumente herstellen, ohne von damals im Handel erhältlichen, oft von fraglichen Qualität gewesenen Stahl abhängig zu sein.

"Luftblasen" die in der Gussstahl vorkommen, sind eigentlich Schlackeneinschlüsse,die von Rohstoff - schlackenhaltigen Schmiedeeisen bzw. Brennstahl stammen.

Kohlenstoffgehalt in "cast steel" - da muss man jeder Messer einzeln betrachtet werden, aber es sollte schon um 1,0 bis 1,5 % Kohlenstoff sein.

Den Gussstahl konnte man schon schmieden:

Aus demselben Buch:

Nimmt man zum Rasirmesser Gussstahl, so braucht er nicht gegerbt zu werden, und das Schmieden beginn ganz einfach am Ende der Stange.(...) Um am Ende der Stange zu Schmieden, muss man berücksichtigen, dass der Gussstahl nicht schweisswarm gemacht werden kann (...) die Engländer ihre Klingen lieber am Ende der Stange schmieden, und im Schmieden des Gussstahles eine Geschicklichkeit besitzen, die ihnen niemand streitig machen kann.


Jacobvs
 
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Diskussionsnachricht 000009
07.04.2007, 16:24 Uhr
~Iltis
Gast


@ Jacobvs

Alle Achtung!! du scheinst dich richtig auszukennen (in gegensatz zu mir). Zwei Sachen möchte ich dich fragen:

1: Handelt es sich bei deinem Gußstahl und mein Crucible Steel um das gleiche Material?

2 ein Bisschen off topic aber: wie wurde wrought iron hergestellt?

gruss
Iltis
 
(Gast) Zitatantwort || Editieren || Löschen
Diskussionsnachricht 000010
07.04.2007, 20:03 Uhr
Bartisto
registriertes Mitglied


@ Jacobvs

Danke für die klaren Informationen!

Gruß
Bartisto

--
Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten. Konfuzius
 
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Diskussionsnachricht 000011
07.04.2007, 21:27 Uhr
~UbuRoy
Gast


@Jakobus: Merci für die Beschreibung der alten Verfahren.

Ich kenne nur die neueren Verfahren (Bessemer, Elektro- etc.).

Schöne ausführliche Antwort! Gibt leider nicht mehr viele gute Fachbücher aus der Zeit vor 1880.

Lufteinschlüsse kamen aber sicher auch vor. Lunker müssen nicht immer zwangsläufig schlackeeinschlüsse sein ;-)
 
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Diskussionsnachricht 000012
08.04.2007, 10:08 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


@Bartisto
Danke! Freut mich sehr, dass Du es interessant gefunden hast, deine Anleitungen zum Messerschärfen hier haben mich sehr geholfen.

@Iltis
Ich habe meine Archäologiestudium nicht geschmissen, sondern fleissig zu Ende studiert;-) Spezialisiert in Mittelalter und frühes Neuzeit. Jetzt arbeite in Bereich Archäometallurgie

Ich bin ganz sicher dass bei diesem Bengalls-Messer von "cast steel" sich um den in Landrin 1836 beschriebenen Gusstahl oder Tiegelstahl handelt. Und das ist identisch mit den "crucible steel". Mit frühen Bessemerstahl gabs viele Probleme und die Qualität war auch nicht so super. Das Vorteil beim Bessemer war mehr in Produktivität des Verfahrens (mehr oder weniger homogener Stahl in grossen Mengen und schnell), und gab eigentlich keinen Grund für die Instrumentenindustrie die alten Verfahren zu schmeissen.

Wenn ich mich nicht irre wurden die ersten industriellen Edelstahl-legierungen für schneidende Instrumente (1920ge Jahre) mit demselben Tiegelverfahren hergestellt. Natürlich in elektrisch betriebenen Öfen, aber sonst nach dem "Opa's Rezept". Kann den Link jetzt nicht finden...

Über Schmiedeisen: nur dieser Link (um den Off-topic Niveau nidrig zu halten), sollte gut weiterhelfen :

iron.wlu.edu/

@UbuRoy

Naja, eher sind beides in diese Lunkern in Gusstahl, Schlacke und CO2 und was noch Doch ich würde mehr aufs Schlacke tippen, weil die Gaseinschlüsse von grösserenteils ausgeschmiedet (zusammengepresst ung geschweisst) sein sollten. Die Schlacke aber bleibt. Und die (Gas- und Schlakeneinschlüsse) stammen von Rohstoff - Schlackenhaltiges Schmiedeiesen, die in Cementationsprozess karburisiert wurde (blister steel - Blasenstahl - von den CO2-Blasen auf der Oberfläche der Stäbe) - in der Tiegelstahl wurde ja kein Luft in die Schmelze eingeblasen wie beim modernen Verfahren, so ist da eher die Schlacke schuld, als das Gas. Aber die damaligen Schmelzer konnten das Gasproblem schon, und versuchten die Blasen wegzukriegen durchs heftige Schütteln der Tiegeln vor dem Guss.

Jacobvs
 
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Diskussionsnachricht 000013
21.04.2007, 21:38 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


@ Iltis

Tja, war zwar leider kein Cast-Steel Bengall aber Spass hatte ich trotzdem damit.
Sei aber dennoch vorsichtig damit! Du weißt schon, wegen des Skorbut usw.


Gruß

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000014
29.05.2007, 13:57 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


Hallo!

Hab' jetzt Urlaub, und ein bißchen mehr Zeit meinen Hobbies nachzugehen

Noch einige Fakten über Gußstahl und India-Stahl -

Das Verfahren wurde von englischen Uhrmacher Benjamin Huntsman,der auf der suche nach besseren Material für Uhrfeder und -Pendeln war, um 1740 erfunden. Zuerst wurde Gußstahl von sheffielder Messerschmieden verhöhnt und abgelehnt, weil sie gewöhnt waren, mit gegerbten Zementstahl zu arbeiten. Dann fing Huntsman an, seinen Gußstahl nach Frankreich zu exportieren und erwarb sich bald damit den europaweiten Ruhm. Da hatten auch die Sheffielder keine andere Wahl, als die neue Technologie zu aktzeptieren. Sie wurden sogar die besten Gußstahlschmieden in der Welt

Als Rohstoff für den sheffielder Gußstahl diente ausschließlich schwedisches Stabeisen - sehr reines, mit Holzkohlen geschmolzenes, fast Kohlenstofffreies Eisen, die in Sheffield zuerst in riesigen Cementieröfen mit Kohlenpulver wochenlang geheizt wurde, um daraus Cementstahl zu gewinnen, was dann in die Stücke geschlagen wurde und in der Tiegel geschmolzen.

Warum denn nur ausschließlich schwedisches Eisen? Weil in England kaum Erze gab, die nicht mit Schwefel und Phosphor kontaminiert wären, und die wenigen, die rein waren, wurden in der Hochöfen verdorben - mit schwefel- und phosphorhaltigen Koks geschmolzen. Das Gußeisen mit Phosphor- und schwefelanteil kann man ohne Probleme als Solches gebrauchen, aber wenn man daraus schmiedbares Eisen in Puddelverfahren versucht zu rafinieren, wird es kalt- und rotbrüchig. Der Phosphoranteil verhindert auch die Diffusion von Kohlenstoff in die Eisen - darum war englisches Eisen (auch wenn mit Holzkohlen geschmolzen) für Cementieröfen unbrauchbar. In Schweden dagegen wurde Eisen aus sehr reinen Erzen und bis in die frühe 20. Jh. ausschließlich mit Holzkohlen geschmolzen - noch 1917 war das Jahresgebrauch der schwedischen Eisenindustrie etwa 1000 000 t Holzkohlen!

India-Stahl. Nachdem hier einige höchst respektable Forumsmitglieder diesen Material fast magische Eigenschaften anzumutet haben, habe ich ein bißchen nachgeforscht - wie schon gesagt, direkt über "India-Stahl" gibt's nichts, darum bin ich auch ganz sicher daß wir hier mit einen unoffiziellen Werbenamen zu tun haben. Stahlexport in industriellen Mengen von Indien nach England begann 1913 (The Tata Iron and Steel Works Company). Die Messer von India-Stahl sind offensichtlich älter.

Henry Bessemer beschreibt in seinen Memoiren sehr gründlich um Mitte der 19. Jahrhunderts in England erhältlichen Eisensorten und nennt darunter auch den Gußeisen aus Indien - das ist gewiß eine Möglichkeit, dass India-Stahl aus dem indischen Gußeisen mit Mangangehalt hergestellt wurde. Seit 1870 wurde Gusseisen zum Beispiel in der Bengal Iron Works produziert und auch nach England ausgefahren. Stahl wurde da produziert ab 1903.

Meine Theorie: Ich denke dass Mr. Cadman und seine Söhne vielleicht den Rohstoff für ihre Erzeugnisse da bezogen haben könnten und darum die auch mit "Bengall Cast Steel" markiert haben. Nach dem Erfolg wurde daraus nur der Markenname "Bengall". Was sonst konnte ein englisches Rasiermesser mit einen Region in Indien verbinden?

Doch am wahrscheinlichsten scheint mir, dass wir bei "India Steel" in meisten Fällen einfach mit Mangan legierten Gußstahl zu tun haben. Das Prozeß wurde erfunden und patentiert in 1839 von Josiah Heath, der als Beamte der Britischen Kolonialregierung in Indien diente, da 1830 eine Eisen- und Stahlfabrik zu gründen vesuchte, aber scheiterte und in der Prozess sich mit lokalen Eisengewerbe vertraut machte. Da wurde er mit dem Tatsache vertraut, dass Mangan die Eigenschaften der Gußstahl in vielen Aspekten verbessern kann - erstens neutralisiert es den Schwefel und den Phosphor, und als Legierungselement erhöht die Elastizität des Stahles, so dass es sehr hohen Kohlenstoffgehalt haben kann, aber trotzdem schmied- un schweissbar bleibt. So konnte man schlechten englischen Eisen nun auch zum Gußstahlherstellung benutzen.

In seiner Patent sagt Heath eindeutig, dass sein Verfahren von den indischen Gußstahlprozess inspiriert sei.

1855 war sein Patent ausgelaufen und die Methode für alle frei zu benutzen.


Quellen:

Über Benjamin Huntsman (Von Samuel Smiles "Industrial Biography", London 1863):

www.worldwideschool.org/library/books/hst/biography/Indus...

Henry Bessemer's Memoiren (Mangan in Stahlherstellung):

www.history.rochester.edu/ehp-book/shb/hb18.htm#page260

Alles Gute

Jacobvs
 
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Diskussionsnachricht 000015
29.05.2007, 15:05 Uhr
Bartisto
registriertes Mitglied


Hallo Jacobvs,

einfach großartig, danke!!!

Gruß
Bartisto

--
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Diskussionsnachricht 000016
29.05.2007, 15:44 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


@ Jacobvs

Auch mein Dank dafür sei Dir gewiss!
Sehr interessant zu lesen was Du da herausgefunden hast.

Gruß

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000017
29.05.2007, 17:50 Uhr
Drei
registriertes Mitglied


Bengall Reynolds schrieb:

Zitat:
Die Chronologie nach könnten nur die Bengalls von 1748 bis 1855 wirklich aus diese "Cast Steel" gewesen sein

Oder eben später dann aus gelagertem Stahl gefertigt worden sein.

Zitat:
Bei dem alten Cast-Steel habe ich aber immer noch starke Vorbehalte. kann mich aber nur auf mein eigenes, gefährliches HAlbwissen berufen:

Ich werfe mal mein Halbwissen dazu, bzw die Beobachtung an meinem "cast steel":

- Rost: Der Stahl wird dunkel, legt also an, rostet aber nicht.
- Lufteinschlüsse: Ausgeprägte Lunkerbildung
- Härte: Das Messer lässt sich sehr leicht mit Chrompolitur auf Hochglanz bringen (ist ja auch Materialabtrag) und ebenso leicht mit dem Stoßriemen auf Schärfe halten.

Die derbe, gerundete Klinge wurde von Guilty auf Rasurschärfe gebracht, das Rasurergebnis ist einem vollhohl geschliffenen Messer ebenbürtig.
Die steife Klinge vermittelt bei der Rasur eine enorme Sicherheit.
 
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Diskussionsnachricht 000018
30.05.2007, 13:30 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


Hallo!

Der magische Datum 1855 (Patent von Henry Bessemer) sorgt immer fürs grosse Verwirren Als dann endgültig Schluß mit alten Methoden gewesen wäre...

Bessemer-konverter(Meyers Konversations-Lexikon):

de.wikipedia.org/wiki/Bessemerbirne

Chronologie:

1856. Bessemer publiziert seinen Erfindung auf der Konferenz der British Association for the Advancement of Science. Ihn gelangt das Verkauf von Benutzungsrechte seiner Konverter an viele Eisenhütten fürs insgesamt 27 000 £.

Das alles (und ein bißchen mehr) muss er später zurückzahlen, weil das Verfahren so nicht funktionierte.

Für seine Versuche hat Bessemer zufällig sehr seltenen, ganz reinen Gußeisen aus Wales eingekauft, darum lief die Konversion in seiner Versuchshütte zuerst problemlos. Doch in Eisenhütten nahm man wieder den berüchtigten phosphorigen-schwefeligen englischen Gußeisen, und das Resultat war ein unbrauchbares Brei aus Schlacken und brüchigen Eisen.

1858 hat Bessemer die Probleme beseitigt - von einer Seite hat er festgestellt, das z. B. mit den schwedischen Gußeisen das Konversion problemlos lief, auch in England hat er eine Quelle für reinen Eisen gefunden und zuletzt rausgefunden (Heath's Patent), dass die Kontaminierten Eisenerzen mit Manganzusatz geschmolzen werden müssen.

Doch von einer Revolution in Eisen- und Stahlindustrie war keine Rede - nach der Fiasko von 1856 hat die Presse den Bessemer sowas von niedergemacht, das keiner ihn mehr einen Glauben schenken wollte.

Stellen sie sich mal vor, Gentelmen, der will aus Gußeisen ohne Brennstoff Eisen und sogar Stahl konvertieren zu können - das kann ja nur ein Betrug sein!

Darum gab's für Bessemer keine andere Wahl, als in Sheffield eine eigene Fabrik zu gründen - Bessemer Steel Works Company. Bessemerstahl wurde zuerst aktzeptiert von den schweren Industrie - sein "mild Steel" war bestens geeignet für Eisenbahnschienen, Dampfkesseln usw. Doch einfach war es nicht - Britisches Arsenal z.B. bestellte die ersten Lieferungen des Bessemerstahls erst nach 1866.

Da die Eisenbahn und Schiffsbauindustrie als wachsende Branchen immer mehr Stahl und Eisen brauchten, war Bessemerstahl da sehr willkommen. Aber beim Instrumentenmacher war es ein bißchen anders - es gab für sie genug Tiegelstahl, und da konnte Bessemer auch im Sinne des Qualitäts nicht so sehr mithalten. Ausserdem hatten die Stahlschmelzer von Sheffield einfach zu viel in die Schmelzöfen und Zubehör investiert - da war Bessemers Konverterverfahren für sie uninteressant, weil sie so große Mengen gar nicht brauchten. Ich selber bin unter Eindruck, dass Gußstahl für feine Instrumente bis den Ersten Weltkrieg produziert und benutzt wurde.

Darum ist 1855 für Tiegelstahlverfahren kein datum ante quem und hat keinen Relevanz beim Datieren der Rasiermesser aus Gußstahl.


Alles Gute

Jacobvs
 
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Diskussionsnachricht 000019
30.05.2007, 18:36 Uhr
~Iltis
Gast


Gruss zusammen,
Freut mich, dass hier noch der Cast Steel diskutiert wird, habe mir auch in der letzte Zeit öfters darüber nachgedacht. Jakobvs, deine Beiträge sind grossartig!! Dein Theorie zu warum Bengalls Bengall heissen finde ich sehr Glaubwürdig, aber: laut www.uniclectica.com/misc/manuf.html datieren sich die ersten Rasiermesser Marke "Bengall" ab 1748, das ist deutlich vor die ersten von dir zitierten Stahlimporten aus Indien, und nur kurz nach Huntsmans Patent. Ich möchte natürlich, das Luke Cadman heimliche Einschmuggler von Wootz Stahl war, der alleine die Geheimnis die Verarbeitung dieses Material kennt, das wär sooo romantisch ;-), glaube es aber selber nicht. Aber eine glaubhafte Erklärung dafür will mir auch nicht einfallen - du hast, glaube ich, auf jeden fall recht, das Bessemer und 1855 kein Ende die Gusstahlproduktion bedeutete, und für Massenwaren braucht man nicht die gleiche qualität als für gute Rasiermesser oder andere "Feine Instrumente". Ich persönlich glaube, das nicht nur Bengalls aus "Cast Steel" sind, nur steht "Cast Steel" nur auf Bengalls. Wie stehst du dazu, Jakobvs? auf jeden Fall, der "Indian Connection" hat mich sehr neugierig gemacht.
Übrigens, wer lesen möchte das Bengalls besser sind als Messer aus Autofedern gemacht (ich glaube, ich hatte mal sowas - aus Pakistan...) kan es hier nla.gov.au/nla.cs-pa-HTTP%253A%252F%252FCAS.AWM.GOV.AU%25...
lesen

Gruss

Iltis
 
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Diskussionsnachricht 000020
30.05.2007, 22:36 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


Hallo Kollege!

Iltis schrieb:

Zitat:
laut www.uniclectica.com/misc/manuf.html datieren sich die ersten Rasiermesser Marke "Bengall" ab 1748

Habe da meine Bedenken über diesen Liste, würde mich darauf nicht verlassen. Da ist ein Buch dass vielleicht jemandem der in einen richtigen Stadt, wo ein richtiges Bibliothek vorhanden ist,lebt, zugänglich ist:

Smith, Joseph. Explanation or Key to the Various Manufactories of Sheffield with Engravings of each Article. 1816. Facsimile. The Early American Industries Association. South Burlington 1975.

Kaufen kann man das auch, ist aber für mich zuzeit zu teuer:

www.abebooks.de/servlet/SearchResults?tn=Explanation+or+K...

Da konnte man einer ja nachschauen, ob Cadmans schon damals den Markennamen Bengall benutzt haben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das es nicht der Fall sein wird. Fürs Interlibrary bin selbst zuzeit zu faul...

Aber, bin auch auf sowas gestossen:

White's Directory 1857 (Adressbuch):

www.n.f.wilson.btinternet.co.uk/

Sheffield:

Cadman Alfred, razor mfr., Eyre lane
Butcher W. & Saml, razor mfr. Eyre lane

Die Herren waren ja Nachbarn! India-Stahl-Verschwörung


Alles Gute

Jacobvs
 
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Diskussionsnachricht 000021
30.05.2007, 22:55 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


Iltis schrieb:

Zitat:
Gruss zusammen,
()
Ich persönlich glaube, das nicht nur Bengalls aus "Cast Steel" sind, nur steht "Cast Steel" nur auf Bengalls. Wie stehst du dazu, Jakobvs? auf jeden Fall, der "Indian Connection" hat mich sehr neugierig gemacht.
Übrigens, wer lesen möchte das Bengalls besser sind als Messer aus Autofedern gemacht (ich glaube, ich hatte mal sowas - aus Pakistan...) kan es hier nla.gov.au/nla.cs-pa-HTTP%253A%252F%252FCAS.AWM.GOV.AU%25...
lesen

Gruss

Iltis

Hi Iltis,

fast richtig!
Es gibt unter einigen anderen auch W&Bs aus den gleichen Klingenrohlingen, ebenfalls mit dem Beschlag "Cast Steel".

Letztendlich scheint es damals wie heute eine Tendenz gegeben zu haben, in der jeder Hersteller dem anderen seine Innovationen abgejagt und ebenfalls vermarktet hat?

Euch beiden, Iltis und Jacobvs, auf jeden Fall meinen tiefsten Dank für Eure unermüdliche Recherche!
Ich selbst finde diese nicht in den unendlichen Weiten des www?!?!?

Gruß

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000022
07.06.2007, 20:45 Uhr
~Iltis
Gast


Wieder beim Thema: nach ziemlich viele erfolglose Internetrecherche bin ich überhaupt nicht Schlauer geworden, bin also eine andere Weg gegangen und habe ein Paar Fragen per Email an der Betreiber der Englische Webseite www.theinvisibleedge.co.uk geschickt. Der macht bei mir den Eindrück, erfahren zu sein, und mit Zugriff auf verlässliche Literatur (hat mir auch ein Paar Bücher vorgeschlagen die Hilfreich sein werden - jetzt muss ich nicht nur in der Bucht sondern in Amazonas angeln ;-)). Laut Steven Dempster (so heisst er) wurde Cast Steel von ca.1740 bis 1840 generell in Sheffield für Rasiermesser verwendet, und Bengalls mit diese Aufschrift müssten zu diese (hundertjahrelange!!) Zeit zu datieren sein. Das der Markenzeichen Bengall ab 1748 von Cadman benutzt wurde hält er auch für glaubwürdig. Er schreibt mir, dass Cast Steel etwa 1840 durch sogenannte Silver Steel ersetzt wurde, ein Legierung aus 99,08% Stahl mit 0,02% Silber. Cast Steel Messer hält er als von hohe Sammlerwert weil die mit ziemliche Sicherheit als vor ca. 1840 zu datieren sind
 
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Diskussionsnachricht 000023
07.06.2007, 21:53 Uhr
Bengall Reynolds
registriertes Mitglied


Uiuiui, und Ihr schrubbt alle an den Dingern rum als wären´s Eure Übungsmesser?!?!!?

--
Bengall Reynolds
 
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Diskussionsnachricht 000024
11.06.2007, 16:45 Uhr
Jacobvs
registriertes Mitglied


Iltis schrieb:

Zitat:
... der Betreiber der Englische Webseite www.theinvisibleedge.co.uk ... Der macht bei mir den Eindrück, erfahren zu sein ...

Ja bei mir macht der den Eindruck nicht:

www.theinvisibleedge.co.uk/page16.html

Wenn das ein Rasiermesser ist bin ich ein Elephant aus West-Bengal. Würde sagen das sowas ein Schabeisen von einen Ledergerber ist.

Er schreibt auch über Silberstahl das von Faraday erfunden wurde - das stimmt auch nicht.

1818-1822 arbeitete Michael Faraday mit den Londoner Messerschmied Stodart mit Stahllegierungen, das Ziel ihrer Experimente war Reproduktion von Wootz. Sie mischten allesmögliche den Tiegelstahl bei - Iridium, Osmium, Nickel, Chrom, Aluminium, Silber. Einziges Material, damit sie einigermassen Erfolge erzielten, war "Kleinsilber" - Platin.

Aber Stahl mit 1-3% Platin zu legieren war leider zu teuer für kommerzielle Zwecke. Ich neige zum Anmutung, dass "Silberstahl" als Werbename vielleicht von Faradays Versuchen inspiriert wurden sein könnte, aber nicht mehr. Der liess aus seinen Platin-Stahl einige Rasiermesser machen und schenkte sie über die Jahren an seine Freunde.

infomotions.com/etexts/gutenberg/dirs/etext98/fdayd10.htm

Alles Gute

Jacobvs
 
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