Diskussionsnachricht 000003
13.01.2004, 11:02 Uhr
~Andi R.
Gast
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Hallo,
"dass Konsumenten, die sich von Lockvögeln beeinflussen lassen, gegen Grundaxiome ökonomischer Rationalitätsmodelle verstoßen, entdeckte der französische Ökonom Maurice Allais bereits in den fünfziger Jahren. In den achtziger Jahren bestätigten Marktforscher der amerikanischen Duke University die Ergebnisse. Ihre Beobachtungen bezeugten nicht nur die Irrationalität menschlichen Handelns, sondern erhellten auch die Prozesse, die bei der Einführung neuer Marken und Produkte eine Rolle spielen. Demnach können zusätzliche Produkte den Verkauf von gleichartigen Artikeln durchaus fördern, statt ihnen zu schaden. Sie können darüber hinaus sogar den Umsatz insgesamt erhöhen.
Für Marketingabteilungen war dies eine erfreuliche Neuigkeit. Für Ökonomen weniger. Denn darunter litt der Glaube an die Vorhersagekraft ihrer Theorien. Die Psychologie begann, der Ökonomie das Feld streitig zu machen. Von Rationalität war fortan nicht mehr die Rede die psychologischen Modelle, die das menschliche Handeln beschrieben, kamen ohne diesen Begriff aus. Jetzt mischt sich noch eine dritte Disziplin ein: die Verhaltensbiologie. Ihre Forschungen zeigen, dass Menschen, deren Entscheidungen inkonsistent scheinen, möglicherweise doch nicht so unerklärlich handeln, wie es den Anschein hat.
Auch in der Tierwelt ist es so: In Testreihen wurde festgestellt, dass sich auch Kolibris, Bienen und Stare in ihren Entscheidungen von scheinbar irrelevanten Alternativen beeinflussen lassen. Hat ein Kolibri zum Beispiel die Wahl zwischen einem grünen Nektartopf mit einer kleineren Menge einer hochprozentigen Zuckerlösung und einem blauen Topf mit einer größeren Menge niedrigprozentiger Lösung, wählt er beide etwa gleich oft. Schließlich haben die beiden Produkte trotz unterschiedlicher Qualitäten einen ähnlichen Nettowert. Anders sieht es aus, wenn eine orangefarbene Kunstblume mit eindeutig weniger Zuckerwasser hinzugefügt wird. Eigentlich sollte diese Alternative bei der Entscheidung keine Rolle spielen. Tatsächlich aber steuert der Kolibri nun Blau deutlich häufiger an als zuvor.
Als Ursache für dieses Verhalten vermuten die Forscher, dass die Vögel nicht etwa Volumen, Konzentration und Nettowert gleichermaßen bewerten, sondern bei einer größeren Auswahl lediglich die Veränderung einer dieser drei Kategorien wahrnehmen um damit Rechnerkapazität im Hirn zu sparen. Im obigen Beispiel (Topf Blau) wäre dies die Kategorie Volumen. Andere, ähnlich aufgebaute Versuche deuten zudem darauf hin, dass die Vögel sich in ihren Entscheidungen von keiner absoluten, sondern von einer relativen Wertskala leiten lassen, sodass die Zusammensetzung der Optionen bestimmt, welche Kategorie im konkreten Fall die Entscheidung dominiert."
www.zeit.de/2003/36/N-Lockv_9agel
Gruß, Andi Diese Nachricht wurde am 18.01.2004 um 18:44 Uhr von Christian editiert. |