Diskussionsnachricht 000000
24.09.2004, 18:57 Uhr
Figaro
registriertes Mitglied
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Hmmm...
nach meinen Problemen mit schnell stumpf werdenden Messern war ich nach den Antworten in diesem Thred (und den Videos zum Abledern) eigentlich überzeugt davon, bisher viel zuviel Druck ausgeübt zu haben.
Nun war ich aber zwischenzeitlich in London und habe mich bei Geo F. Trumper in der Curzon Street (im Rahmen der dort angebotenen "Shaving School", einer ca. 1,5-Stündigen Einführung in die Messerrasur) von einem Profi rasieren lassen. Ausführlicher Bericht folgt noch, hier nur kurz:
- Heisses Tuch für ca. 3 Minuten, dann eine Pre-Shave-Lotion aus dem Trumper-Sortiment
- Einseifen mit einer Rasiercreme - anstelle eines Tiegels wurde der Waschbeckenrand zum ersten Aufschäumen verwendet.
- Ausführliche Rasur (allerdings mit Wechselklinge), dabei wurde sorgfältig auf meine individuelle Bartwuchsrichtung eingegangen und später genau erklärt, in welchen Bereichen ich am besten wie oft in welche Richtung rasieren sollte, genaue Haltung des Messers (Vorhand / Rückhand) etc.
- Anschließend kaltes Tuch, After-Shave etc.
Nun wollte ich mir (anhand meines mitgebrachten Messers) das korrekte Abledern mal live zeigen zu lassen. Kein Problem: Der Riemen war ein breiter Dovo-Riemen mit Juchten- und Leinenseite. Nun folgten einige Überraschungen:
- Beim Abziehen sei grundsätzlich zunächst die Leinenseite zu benutzen, sie war mit einer weißen Paste bestrichen (nicht aus dem Töpfchen, sondern ein kleiner, zäher, knetgummiartiger Quader in grünem Papier, ein französisches Produkt). Mir wurde empfohlen, die Paste in den Leinenriemen einzumassieren und dann mindestens einen Tag trocknen zu lassen.
- Nun wurde die Lederseite eingeölt (nicht gefettet). Der Barbier benutzte dazu irgendein gerade greifbares Parfümöl, meine Frage, ob auch z.B. Olivenöl geeignet sei, bejahte er nach einigem Zögern. Dann wurde das Öl mit einigen Messerzügen in das Leder einmassiert - hierfür benutzte er jedoch nicht mein Messer, sondern sein eigenes Dovo-Messer, das er aus einer Schublade hervorzauberte.
- Anschließend nahm er mein Messer, zog es erst ca. 10mal über die mit Paste bestrichene Leinenseite, dan ca. 30-40mal über die Lederseite. Zu meiner Überraschung wandte er dabei einen ähnlich starken Druck an wie ich selbst bisher (Butterbrotschmieren mit kühlschrankfrischer Butter), und auch nach mehrmaliger Nachfrage bestätigte er mir, dass ein so starker Druck notwendig sei. Das Messer war danach übrigens scharf wie am ersten Tag.Interessant fand ich auch, dass er während des Abziehens zu "spüren" schien, ob die notwendige Schärfe inzwischen erreicht sei.
Vom Haartest hatte er noch nie etwas gehört, er fand die Idee eher amüsant - er prüfte die Schärfe durch kurzes Antippen der Klinge mit der Daumenkuppe, und, nach Rückfrage um mein Einverständnis, indem er ein paar seiner Unterarmhaare abrasierte.
Nun bin ich natürlich gespannt, was die Messerspezialisten hier im Forum dazu zu sagen haben, insbesondere zu der grundsätzlichen Verwendung der Leinenseite, zu der weißen Paste, zu dem Öl auf dem Leder, und zu dem starken Druck. Immerhin war das Messer danach, wie gesagt, superscharf.
Ach ja, und noch was: Nach Ansicht des Barbiers muss ein Messer bei dieser Behandlung nie nachgeschliffen werden. Der einzige für ihn denkbare Grund dafür, das Messer zum Schleifen einzuschicken wäre ein unglücklicher Fall des Messers o.Ä, wobei die Klinge beschädigt wurde.
Ich bin gespannt auf eure Kommentare. |