Diskussionsnachricht 000000
22.11.2004, 20:33 Uhr
Timberwolf
registriertes Mitglied
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Habe seit kurzem das Privileg und das Vergnügen, mich mit einem exquisiten Plisson einzuschäumen.
Gilt ja als der König der Pinsel. Ob's wirklich so ist, kann ich mangels
Vergleichpinsel der Top-Kategorie schwerlich beurteilen.
Habe mich da eigentlich auf die Aussage einer altgedienten Fachfrau verlassen, die behauptet hat: Nichts geht über den Franzosen.
War damals (vor 1 oder 2 Jahren) in ihrem Geschäft, eigentlich um meinen alten Dachs-Pinsel-Griff aus echtem Büffel neu bestücken zu lassen. hatte den vom Großvater geerbt (neu) und seit ca. 20 jahren im Gebrauch.
Sah natürlich entsprechend aus; zumal ich ihn auch nicht unbedingt geschont habe.
In der Pinselmitte waren die Haare nur noch ungefähr einen halben cm lang.
Na ja, das mit dem bestücken hat mir die Fachfrau ausgeredet und mir statt dessen einige Plisson vorgeführt.
Und ich muß sagen, ich war beeindruckt - nicht zuletzt auch vom stolzen Preis von ca. 250 Euro.
Na ja, habe den Kauf dann erstmal zurückgestellt.
Bis ich unlängst auf die Fa. Hild und deren Angebot gestoßen bin. Da kostete das begehrenswerte Dachsprodukt weniger als die Hälfte des Preises aus dem Fachgeschäft.
In der Annahme, ein Schnäppchen machen zu können, habe ich dann einen Pinsel bestellt für 105 + 5 porto also 110 Gesamtpreis.
Ist ja auch ein Wahnsinn, aber andererseits hat man so ein Ding ja täglich im Gesicht und da sollte es schon etwas feineres sein.
Zumal ich jamit meinem alten Silberdachs nur die besten Erfahrungen gemacht hatte.Und wer will sich schon verschlechtern?
Also der neue Pinsel kam und mit ihm eine leichte Enttäuschung. Das Ding
sah ziemlich grau aus vom Haarkleid her meine ich.
Also nicht so richtig weiß an den Spitzen, sondern zwar schon viel heller als die Haarfärbung in Griffnähe, aber doch eher grau als weiß-silbrig.
Zudem war der Pinsel im Begleitschreiben als europäisch Dachs, grau bezeichnet.
Ich hatte angenommen, daß Plisson nur Silberzupf verwendet, zumal in dieser Preiskategorie.
Na ja, zuerst wollte ich den Kauf rückgängig machen bzw. umtauschen. Fühlte mich irgendwie übern Tisch gezogen.
Dann siegte doch die Neugier und ich weihte den Pinsel ein.
Nach ein paar Anwendungen war auch der urinähnliche Geruch verflogen
und meine anfängliche Skepsis einer gewissen Begeisterung gewichen.
Was ist nun das charakteristische an so einem Pinsel, welche Vorteile bietet er im Gebrauch?
Zunächst mal ist er nicht streichelzart im Gesicht, sondern ganz leicht stupfelig, aber keineswegs unangenehm, eher belebend wie eine Massage etwa.
Als Rasierseife benutze ich schon seit vielen Jahren den billigen Palmolive-Rasierstick. Habe damit einfach die besten Erfahrungen gemacht.
Ist im Geruch nichts besonderes, aber gibt einen excellenten Schaum und
mir ein sympathisches Hautgefühl.
Der günstige Preis kommt dazu.
Den Schaum erzeuge ich, indem ich mit den Plisson in heißes Wasser tauche (so heiß, daß es im Gesicht noch angenehm ist), dann etliche male mit dem Pinsel am Stick vorbeistreiche, bis er gut Seife aufgenommen hat.
Dann mache ich noch ein paar tropfen heißes Wasser auf die Haare und beginne mit kreisenden Bewegungen mein Gesicht zu bearbeiten.
Ich massiere die Seife so richtig in die Haut. Der dicke, sahnige Schaum wird dabei im Pinsel erzeugt, meine Freunde, ja im Pinsel, nicht im Gesicht.
Dann streife ich den Pinsel mit den Fingern ab und habe einen erstklassigen Schaum, den ich über die Bartzone verteile.
Dann folgt die Rasur mit meinen alten (ebenfallsgeerbten) Gillette-Butterfly-Hobel. Das ist ein schweres Stück mit kurzem, handlichen Griff, womöglich ein Reise-Rasierer. Hatte früher System-Rasierer (Duplo-Klingen, Excel usw.) benutzt, bin aber aus Verärgerung über die Preispolitik wieder zum guten, alten Hobel zurück.
Verlangt etwas mehr Konzentration, ist aber im Ergebnis besser und bietet einen viel höheren Lustfaktor finde ich.
Weil mehr Kunstfertigkeit erforderlich ist, um eine unblutige Rasur zu bewerkstelligen.
Läßt sich aber ohne weiteres lernen. Zwei Dinge sind wichtig dabei: Den Hobel ohne Druck über die Haut führen und überwiegend mit dem Strich rasieren.
Alternativ auch quer zum Strich, selten (nur unter dem Kinn vielleicht) gegen den Strich.
Den Hobel so anstellen, daß es ein leicht schabendes Geräusch gibt.
Mit einem schweren Hobel rasiert man übrigens vorsichtiger als mit einem leichten. Liegt vielleicht daran, daß man das schwere Ding sorgfältiger ansetzt als ein leichteres Gerät.
Nach der Rasur wasche ich das Gesicht mit eiskaltem Wasser ab und trockne es mit einem möglichst weichen Handtuch.
Zum Schluß trage ich ein leichtes Hautöl auf.
Vorher wird der Pinsel gründlich in stehendem und unter fließendem Wasser von Seifenrückständen befreit; dabei gehe ich aber sanft vor.
Vor allem der Pinselansat (da wo die Haare aus dem Griff kommen) sollte keine Seifenreste mehr aufweisen.
Dann wird der Pinsel ein paar mal ausgeschleudert.
Der Plisson ist danach schon wieder nahezu trocken und hat seine charakteristische Pilzform. Sieht also aus, als wäre er nicht benutzt worden.
Die Haare sind extrem wasserabweisend offensichtlich.
Da zeigt sich wohl die Qualität.
Na ja, jedenfalls möchte ich das Ding nicht mehr missen; freue mich jeden Morgen auf's neue auf die Rasur.
Klappt wirklich perfekt auf die beschriebene Weise, kein vergleich jedenfalls mit Dose, Schweineborste, System-Rasierer.
Geht natürlich alles auch, ist aber wirklich armselig dagegen.
Yeah |