Diskussionsnachricht 000018
22.09.2016, 14:24 Uhr
~Inselgrün
Gast
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Kommen wir doch auf die Eingangsfrage zurück: Klingen !!! Früher - heute.
Die ersten Hobelklingen waren Kohlenstoffstahlplättchen, einfach angeschliffen, teilweise vollhohl geschliffen. Man hatte davon zB einen Wochensatz wie in kinkjc's Wilkinson Empire Razor. Dazu ein Leder und sogar einen Abzugsklappmechanismus am Hobelkopf. Ich gehe davon aus, dass diese Klingen mehr oder minder einem Kohlenstoffstahl-Rasiermesser entsprechen.
Die nächste Entwicklung sehe ich in der Double-Edge-Klinge von King Camp Gillette. Diese hatte noch nicht genau die Maße der heutigen Double Edge, war aber schon eine Dreilochklinge. Wieder aus Kohlenstoffstahl, aber nicht mehr eine hohlgeschliffene, sondern eine plane Klinge. Sie war für die ersten Double Edge (doppelseitig nutzbaren) Hobel konzipiert. Konkret Gillette Old Type.
Nun folgt die Phase der vielen Klingentypen und Marken. Wir reden von den 20er, 30er, 40er, 50er Jahren. Da gab es sehr dünne Klingen, viel dünner als heutige. Damit konnte man eine sehr feine Schneide erreichen. Diese "flatterten" aber, so dass Hilfskonstruktionen wie Torsionskobel nötig wurden. Parallel gab es die einseitig angeschliffenen Klingen für den Injektor, der Vorstufe zum System.
All diese Klingen waren aus Kohlenstoffstahl, nicht rostfrei. Sie rasierten meiner Erfahrung nach ruppig, aber man konnte sie auch abziehen und dann wieder verwenden. Beispiel in meinem Besitz eine Erfa super dünne Klinge aus der DDR, die deutliche Spuren des Abzugs in einem historischen Abzugsgerät aufweist. Diese Klinge ist, obwohl nicht rostfrei, bis heute ohne Rost, ich habe sie desinfiziert und wie einst eine Gillette verwendet. Die Gillette der 60er Jahre war blaulackiert, um dem Rost etwas entgegenzuwirken und ließ sich nicht ganz so gut abziehen und auf Schärfe bringen wie die Erfa. Das Rasurgefühl ist relativ ruppig, wie bei einem Rasiermesser. Dafür kann man besser abziehen.
Der nächste Entwicklingsschritt war die Erfindung der rostträgen Klinge durch die Firma Wilkinson in den 60er Jahren. Gillette zog nach. Dadurch war es möglich oder eher möglich, nach der Rasur die Klinge im Hobel zu belassen. Vorher war es angeraten, nach jeder Rasur die Klinge rauszunehmen und trockenzutupfen, um Rost zu vermeiden. Deswegen war die Erfindung des Butterfly-Hobels durch Gillette in den 30er Jahren so bedeutsam: Die vielen Klingenwechselvorgänge waren nicht mehr so nervig. Das fiel nun in den 60ern ganz weg.
In den 70er Jahren wurden die Schneidkanten erstmals beschichtet, um sanfteres Rasieren und längere Standzeit zu erreichen: Chrom, Keramik, Polymer, PTFE-Klingen wurden eingeführt und waren von nun an Standard. Weiterhin aber waren die Klingen zweimal angeschliffen. EIn erster Winkel und ein zweiter Schneidkantenwinkel (noch grundsätzlich wie beim Rasiermesser).
Das änderte sich erst, als man computergesteuerte Schleifmaschinen zur Verfügung hatte, in den 90ern. Nun war der sogenannte gotische Bogen möglich. Erfunden hat ihn meines Wissens Gillette. Dieser gotische Bogen hält die Schärfe länger und ist nochmals etwas sanfter. Er ist das Geheimnis, warum Systemklingen so lange halten. Rasierer, die den gotischen Bogen meines Wissens nicht haben, ich glaube Dorco, halten die Schärfe nicht so lange, während zB ein Mach3 durchaus (bei mir) für 20 Rasuren und mehr taugt.
Das ist der derzeitige Stand bei den Klingen, der alle Entwicklungen vereint: Rostträger Stahl, gotischer Schliff und Beschichtung der Schneidkante. |