Diskussionsnachricht 000036
05.07.2017, 12:33 Uhr
Borsif
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Hallo,
1770 erschein in Paris das Buch La pogonotomie, ou L'art d'apprendre a se raser soi-meme
Das Buch wurde glaub ich 14 mal neu auferlegt, hier eine Deutsche Übersetzung aus 1846: Rasierspiegel oder Die Kunst, sich selbst zu rasieren
"Die Fähigkeit, sich selbst zu rasieren, ist von großem Nutzen, und ihre Anwendung daher auch fast allgemein geworden, besonders unter der bemittelten Klasse; man erkennt ihre Notwendigkeit auf Reisen oder beim Leben auf dem Lande, sowie unter vielen anderen Umständen an, wo die Zeit sich kostbar macht und man doch nicht unrasiert sich sehen lassen mag. Es ist nämlich nicht immer ein Barbier bei der Hand, um nach Bedürfnis rasiert zu werden; zudem geht das Selbstrasieren rascher und es ist auch oft unangenehm, sich das Gesicht von allerhand, nicht immer ganz reinlichen, Leuten betasten zu lassen; endlich sollten auch alle junge Männer, gleichviel, welchen Rang sie in der Gesellschaft ein-nehmen, sich in dieser Weise selbst zu bedienen lernen, weil ihnen dieses Können sowohl Zeit, als Geld erspart."
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, erklärt J.J.Perret irgendwo im Text, dass ein Rasiermesser etwa alle 2 Jahre nachgeschärft werden müsste.
Das schärfen ist (zumindest in der französischen Originalfassung aus 1770, bei der deutschen weiß ich es jetzt nicht) in diesem Buch auch beschrieben
Und gemessert wurde Weltweit über eine relativ lange Zeitspanne. Was in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland üblich war muss ja nicht überall und immer gegolten haben. Selbst im von El Gringo zitierten Wikipediaartikel hieß es, dass die Engländer noch länger zur Selbstrasur tendierten, obwohl es um 1890 einen sehr starken Aufschwung im Barbiergewerbe gab. Ich schlussfolgere daraus, dass (bestimmt nicht alle) Engländer dennoch zu einem Teil selbst rasierten.
Und wie man den Schilderungen CaptnAhabs entnimmt, war es (anfang-mitte 20. Jahrhundert?) in Bayern offenbar üblich zum Barbier zu gehen und seine Messer wenn, dann selbst zu schärfen. Dennoch tat es der ganze Bauernhof seines Großvaters nicht und zwar weder noch. Selbstrasur und nicht selbst geschärft.
Meiner Meinung nach ja kein Thema. Aber wenn man die Kommentare von El Gringo liest, dann hätte man sie als unfähig oder faul, jedenfalls als Stümper, die einer Messerrasur nicht würdig sind bezeichnen müssen? Und eben damit bin ich nicht einverstanden.
Und zu deiner Kalkulation El Gringo. Es mag schon sein, dass eine Rasur beim Barbier in der KuK so viel wie 2 Liter milch gekostet hat, oder 15 Semmeln, oder 1,4% des Lohns eines Facharbeiters. Vielleicht wollten sich dennoch einige (vielleicht nicht nur Penner) diesen Betrag sparen, denn auch 4 mal im Monat sind 5,6% des Lohns (Also auf heutige Entlohnungen auch dreistellig)
Daher bin ich immernoch der Meinung, dass es beides gab. Barbiere und selbstrasierer. Und ebenfalls Selbstschärfer und Menschen die hier eine Dienstleistung in Anspruch nahmen. Und es war nichts beschämendes dabei. Diese Nachricht wurde am 05.07.2017 um 14:11 Uhr von Borsif editiert. |